Der Ex-Judoka Peter Seisenbacher schrieb österreichische Sportgeschichte: Am 9. August 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger und verteidigte seinen Titel vier Jahre später. 1980 errang er bei den Heim-Europameisterschaften in Wien mit Silber seine erste Medaille. Im Herbst 2013 wurde der einstige Sportstar dann aber zum Tatverdächtigen.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen wurden damals aufgenommen, drei Jahre später entzog sich Seisenbacher seiner Verhandlung im Wiener Landesgericht, wo er sich vor einem Schöffensenat verantworten hätte müssen. Nachdem er am 19. Dezember 2016 unentschuldigt nicht erschienen war, fehlte von ihm vorerst jede Spur, bis er nach längeren Ermittlungen heute, Dienstag, in Kiew festgenommen wurde.

Seisenbacher hatte seinen Olympia-Titel am 29. September 1988 in Seoul erfolgreich verteidigt und damit seine Laufbahn gekrönt. "Ich habe mich immer auf meinen nächsten Kampf konzentriert und dass ich volle Wäsche geh'", betonte der Weltmeister von Seoul 1985 und Europameister von Belgrad 1986 nach seinem historischen Triumph.

Sporthilfe-Chef

Nur einen Monat nach der zweiten Olympia-Goldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden und meinte: "Dieser Sympathiebeweis wird mir in meinem zukünftigen Job als Sporthilfe-Generalsekretär sehr viel helfen." Unterstützung benötigte er auch, wie er feststellen sollte, denn die Herausforderung war eine große und das sportpolitische Parkett - anders als die ihm so vertraute Matte - äußerst glatt.

Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher, um sein Amt zu behalten, bei Sportminister Harald Ettl entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er beim Turnier in Leonding einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst.

Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er nach Differenzen seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern als Sporthilfe-Generalsekretär ab und erklärte: "Wenn es so ist, dass die Grundidee nicht mehr übereinstimmt, ist es besser, dass man getrennte Wege geht."

Seisenbacher blieb dem Judosport, mit dem er im Alter von sechs Jahren begonnen hatte, aber stets verbunden. Und das nicht nur als kritischer Beobachter, sondern vor allem als Trainer, zuletzt als Chefcoach von Georgien (2010 bis 2012) und Aserbaidschan (2012 bis 2013). Im September 2015 wurde er erneut zum Judo-Nationaltrainer in Aserbaidschan bestellt. Der Wiener betreute das Team auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, wo es zwei Silbermedaillen für Aserbaidschan gab.