In Salzburg hat sich am Dienstag ein 66-jähriger Pensionist wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung vor Gericht verantworten müssen. Der Mann soll am 2. Septembers 2016 in Kaprun (Pinzgau) vom Balkon seiner Wohnung im dritten Stock aus gezielt auf einen syrischen Geschäftsinhaber geschossen haben. Dem Vorfall ging ein langer Streit wegen Lärms voraus.

Verletzt wurde damals niemand. Allerdings gingen die Heckscheiben vom Auto eines Kunden und vom Lieferwagen des 29-jährigen Geschäftsmannes zu Bruch. "Ich habe draußen eine Zigarette geraucht. Da habe ich einen Schuss gehört. Er hat zuerst aufs Auto geschossen und dann auf mich", sagte der Syrer heute vor Gericht. "Er hat mich nicht getroffen, aber ein Projektil schlug direkt neben mir ein."

"Ziemlich einen sitzen gehabt"

Der Schütze lag mit dem Geschäftsinhaber offenbar schon länger im Clinch. "Immer wenn er mich sah, hat er mich beschimpft", erzählte der Syrer. Grund für die Auseinandersetzung waren die langen Öffnungszeiten des Lebensmittelgeschäfts und der damit verbundene Lärm. Das Lokal befindet sich im Parterre des Wohnhauses, in dem auch der Angeklagte lebt.

Der Pensionist hatte schon die Tage zuvor zweimal die Polizei gerufen, weil sich der Geschäftsinhaber nicht an die Sperrstunde gehalten hatte. "Ich habe damals ziemlich einen sitzen gehabt", sagte der Angeklagte heute. "Beim Auto eines Kunden ist der Motor gelaufen. Arabische Musik war volle Tube aufgedreht und das Fenster offen. Da habe ich einen Zorn bekommen." Er beschimpfte den 29-Jährigen im Vorbeigehen, ging in seine Wohnung, holte sein Luftdruckgewehr und feuerte vom Balkon aus mehrere Schüsse auf die Straße ab.

Weil im Notruf zunächst von einer Schrotflinte die Rede war und die Lage an Ort und Stelle unklar, wurde das Einsatzkommando Cobra gerufen. Als der Mann auf Klopfen eines Beamten der Verhandlungsgruppe die Türe öffnete, konnte er überwältigt werden. Im Schlafzimmer stießen Polizisten unter einer Matratze auf das leistungsstarke Luftdruckgewehr. Der Pensionist verwendete zudem Spezialmunition (Kaliber 4,5 Millimeter) für die Jagd auf Kleintiere und Vögel von offenbar hoher Präzision und Durchschlagskraft. Bei einem Beschusstest durchschlug das Projektil eine 18 Millimeter starke Massivholz-Platte, in eine Schweinshaxe, die dem menschlichen Gewebe ähnelt, drang es bis zu neun Zentimeter tief ein.

Die Staatsanwaltschaft leitete zunächst Ermittlungen wegen Mordversuchs ein. Der 66-Jährige saß dreieinhalb Monate in U-Haft, wurde später aber von einem Waffengutachten "entlastet": Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit dem verwendeten Luftdruckgewehr zu einer schweren oder tödlichen Verletzung komme, sei deutlich weniger wahrscheinlich, als mit einer Feuerwaffe.

Der unbescholtene Angeklagte gestand am Dienstag zwar die Sachbeschädigung und sprach von einem "Riesenblödsinn". Er leugnete aber, auf den Geschäftsinhaber geschossen zu haben. "Es war kein Mensch auf der Straße", war er sich sicher. Der Vorwurf des Syrers sei ein Racheakt wegen der vorangegangenen Streitereien, sagte der Verteidiger des Angeklagten. Das Opfer habe zunächst nur von Schüssen auf Fahrzeuge berichtet, erst später von Schüssen auf Personen. Das wies der Syrer aber heute zurück.

Ob er denn Probleme mit Menschen aus dem arabischen Kulturkreis habe, wollte Richter Günther Nocker vom Pensionisten wissen. Gegenüber der Polizei habe der Angeklagte von einer "starke Abneigung" berichtet. Und er beschwerte sich in der U-Haft darüber, dass man einem Araber mehr glaube, als einem Österreicher. "Im Grund habe ich nichts gegen sie", sagte der Pensionist heute. "Aber ich verstehe ihre Mentalität nicht."