Die Wahrung von Menschenrechten zu gewährleisten, das ist die oberste Aufgabe der Volksanwaltschaft. Anhand ihres aktuellen Berichts über das Jahr 2016 wird klar: Da gibt es noch großen Handlungsbedarf. Um die 500 Kontrollbesuche haben regionale Expertenkommissionen der Volksanwaltschaft im Vorjahr durchgeführt, 125 Alten- und Pflegeheime wurden besucht. Der Großteil hat Missstände aufgezeigt, die als untragbar bezeichnet werden, unter anderem im Bereich der Betreuung von alten und pflegebedürftigen Menschen, berichtet das Ö1-Morgenjournal.
Liegen in Harn und Kot
Zu autoritäre Chefs, Mangel an gutem Personal, fehlender Teamgeist sind laut dem Bericht der Volksanwaltschaft Auslöser für Vernachlässigungsfälle. In einem Heim in Tirol sollen alte Menschen in Harn und Kot gelegen sein wegen Streitigkeiten der Pflegekräfte. Der Tagdienst hat sie nicht mehr gereinigt, der Nachtdienst fühlte sich nicht zuständig. In einem anderen Heim wurden Menschen gewickelt, obwohl sie nicht inkontinent sind, bei anderen wurde es unterlassen. Oft ist das Nachmahl um 16 Uhr, danach müssen die Bewohner ins Bett. Eine Seniorin erzählte, dass sie ab dem Nachmittag nichts mehr trinkt, um nicht später um einen Toilettengang bitten zu müssen. Angst vor unfreundlicher, abwehrender Reaktion von gestresstem Pflegepersonal wurde oft festgestellt.
"Strukturelle Gewalt"
Und viele Pflegeheimbewohner müssen akzeptieren, dass es nur einen Dusch- und Badetag in der Woche gibt. In einer Einrichtung fielen sie sogar aus, wenn sie auf einen Feiertag fielen. "Strukturelle Gewalt" nennt die Volksanwaltschaft das. Das Personalwechsel schaden können zeigt ein Fall aus der Steiermark, in einem Heim wurden die Führung und 80 Prozent der Mitarbeiter getauscht, für 35 Personen mit psychiatrischer Diagnose waren im Nachtdienst nur zwei Personen anwesend. 80 Stürze in acht Monaten mti teils schweren Verletzungen waren die Folge.
Heimliche Medikamentengabe
In einem Wiener Heim wurden aufgeregten, unruhigen Personen Medikamente verabreicht und bei Medizinverweigerung diese gemörsert und in Nutella gemischt wurde. Volksanwalt Günther Kräuter kritisiert allgemein, dass Medizin nicht aus gesundheitlicher Notwendigkeit verabreicht würde sondern aus Personalmangel, weil man damit die Patienten ruhig stellen möchte. "Das ist natürlich eine krasse Menschenrechtsverletzung." Etwa auch, wenn man damit ein frühes Einschlafen erreichen möchte.
Positive Veränderungen
In Niederösterreich, Oberösterreich und Tirol wurden ungeeignete und nicht genehmigte Wohnheime entdeckt. Zehn ältere, psychisch kranke Männer in Tirol hatten keinen Zimmer-, Haustorschlüssel und kein Handy. Doch auch positive Veränderungen wurden festgestellt. In einen Heim in Niederösterreich wurden die Dienstpläne umgestellt, die Abendessenszeit nach hinten verlegt und ein Abendprogramm angeboten.
18 Uhr - ab ins Bett!
Im Bett schon um 18 Uhr, das ist in der Altenpflege keine Seltenheit. Das sagt Gabriele Fischer, Psychiaterin und Leiterin der Menschenrechtskommission der Volksanwaltschaft für die Steiermark und Kärnten. Sie kennt die Kontrollen der Volksanwaltschaft aus der Praxis, insbesondere in Alten- und Pflegeheimen. Zu wenig Personal und mangelnde Qualifikation, ortet sie, die für die Heime zuständigen Länder seien hier säumig. Hier sei die Kontrolle einzufordern, dann seien solche Missstände zu verhindern.
Es würde auch zu wenig wahrgenommen dass auch eine psychische Einschränkung wie Demenz einen Mehraufwand an Pflege rechtfertigen würde. Ein Pfleger, dessen Handy im Drei-Minutentakt läute, und das stundenlang, so etwas sei nicht zu akzeptieren. Natürlich seien Pflegeheime gewinnorientiert, würden oft von börsennotierten Unternehmen betrieben. Doch das Land hätte eine Aufsichtspflicht und müsse kontrollieren.
30-Jährige in Altersheimen
Ganz gravierend seien Missstände in Kärnten. "Hier haben wir scheinbar bedauerlicherweise eine Situation, die offenbar noch auf Otto Scrinzi (1918 - 2012, deutschnationaler Politiker) zurückgeht", so Fischer im Ö1-Morgenjournal. Pychisch kranke Personen seien hoch oben auf Berghöfen lokalisiert. Doch auch in der Steiermark herrschten massive Defizite. "Wir finden 30-Jährige Personen mit psychiatrischen Problemen hier in Altersheimen. Das ist ein strukturelles Problem, hier ist die Landespolitik aufgefordert, Strukturen zu schaffen, dass Personen, die ein Anrecht auf Inklusion haben, gemeindenah in kleineren Wohngemeinschaften untergebracht werden."