Ein Türke, der im Februar 2016 zwei Teilnehmer einer Kurden-Demonstration in Michelhausen (Bezirk Tulln) angefahren und verletzt hatte, ist am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten zu drei Jahren Freiheitsstrafe, davon zwölf Monate unbedingt, verurteilt worden. Der 53-Jährige wurde wegen absichtlich schwerer Körperverletzung schuldig gesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
"Der Angeklagte hat überhaupt nichts zur Wahrheitsfindung beigetragen", hielt der Richter fest. Der Beschuldigte habe keine Einsicht gezeigt, sondern die Unwahrheit gesagt - "auf sehr dreiste Art und Weise". So habe er etwa sehr wohl gewusst, dass der jährlich stattfindende Kurden-Demonstrationszug auf der B1 unterwegs war, "die Konfrontation gesucht" und eine Polizeisperre ignoriert. Den Aussagen des 53-Jährigen, er sei auf dem Weg von Tulln zu einem Baumarkt nahe der Autobahn in St. Pölten und in Eile gewesen, schenkte der Schöffensenat keinen Glauben. Die gewählte Route sei "nicht sehr logisch", hieß es.
Unfallhergang "unaufklärbar"
"Wir haben es mit einem massiven Hitzkopf zu tun", konstatierte der Richter. Nachdem der Wagen direkt an der Unfallstelle nicht fotografiert worden war, wurde der Vorfall am Mittwoch durch Zeugeneinvernahmen rekonstruiert. Anhand dieser sei eindeutig feststellbar, dass der Fahrstreifen des Angeklagten frei gewesen wäre, jedoch habe er nach links gelenkt, wodurch es zur Kollision kam. "Es war ihm nicht gleichgültig, ob jemand verletzt wird", sondern er habe bewusst entschieden, in die Menge zu fahren, betonte der Richter. Zwei Teilnehmer wurden verletzt, dann bremste der Lenker offenbar.
Bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren wurden als Milderungsgründe die Unbescholtenheit des Angeklagten gewertet sowie die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch blieb. Erschwerend wirkte sich das Zusammentreffen von zwei Verbrechen aus. Vom Vorwurf der vorsätzlichen Gemeingefährdung wurde der Mann freigesprochen.
Der Staatsanwalt hatte zuvor eine strenge Strafe aus generalpräventiven Gründen gefordert. Der Beschuldigte wollte dem Vertreter der Anklagebehörde zufolge "einen Streit provozieren" und habe sich entschlossen, auf die Gruppe von Demonstranten zuzufahren - er "wollte es ihnen zeigen" und diese verletzen. Der Verteidiger hatte erklärt, sein Mandant habe keinen Streit gesucht. Einen Vorsatz des Mannes, jemanden zu verletzen, sah der Anwalt nicht.
Laut einem Sachverständigen ist der Unfallhergang "unaufklärbar" und auf objektiver Basis nicht rekonstruierbar. Er verwies auf Zeugenaussagen, die ein Umstoßen von hinten beschrieben hatten. Das Tempo bei der Kollision sei demnach "äußerst gering" gewesen - unter fünf km/h. Der Geländewagen samt Anhänger hatte dem Sachverständigen zufolge 1,6 bis 1,9 Tonnen, das Auto kam nach dem zweiten Anstoßen zum Stillstand. Es ist laut dem Sachverständigen anzunehmen, dass aktiv ausgekuppelt und gebremst wurde. Ob das vom Angeklagten selber durchgeführt wurde, sei technisch nicht nachzuvollziehen.
Der Angeklagte muss laut Entscheidung des Schöffensenats dem männlichen Opfer, das einen Mittelfußbruch erlitt, 3.500 Euro und dem weiblichen 1.400 Euro zahlen. Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.