Das Wiener Landesgericht für Strafsachen hat gegen den untergetauchten Judo-Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher einen Europäischen Haftbefehl erlassen. "Der Angeklagte ist weltweit zur Verhaftung ausgeschrieben", gab Gerichtssprecherin Christina Salzborn Montagmittag in einer Pressemitteilung bekannt.
Seisenbacher war am 19. Dezember unentschuldigt nicht zu seiner Verhandlung im Wiener Landesgericht erschienen, wo er sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen vor einem Schöffensenat verantworten hätte müssen. Seither fehlt von ihm jede Spur. Über Antrag der Staatsanwaltschaft war schon wenige Stunden nach dem geplatzten Prozess eine Festnahmeanordnung aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr ergangen und der Haftbefehl erlassen worden.
Dass gegen Peter Seisenbacher schon unmittelbar nach dem geplatzten Verhandlungstermin die weltweite Fahndung eingeleitet wurde, hatte das Wiener Landesgericht bewusst nicht nach außen kommuniziert. "Aus kriminaltaktischen Gründen und um die Fahndung nicht zu behindern, wurde von einer Information der Medien und Öffentlichkeit vorerst Abstand genommen", so Gerichtssprecherin Christina Salzborn.
"Ich habe davon heute von Medienvertretern erfahren. Überrascht hat es mich nicht. Ich kenne die Konsequenzen, wenn man zu einer Verhandlung nicht kommt", kommentierte Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer die jüngsten Entwicklungen. Was den aktuellen Aufenthaltsort seines Mandanten betrifft, "habe ich nicht die geringste Ahnung, wo er sein könnte. Er hat sich nicht bei mir gemeldet", versicherte der Anwalt im Gespräch mit der Austria Presse Agentur.
Dass nach einem der erfolgreichsten Sommer-Sportler Österreichs - Seisenbacher hatte 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles Gold geholt und seinen Titel 1988 in Seoul verteidigt - nunmehr weltweit gefahndet wird, "ist auch für mich unfassbar", so Lehofer. Er habe unmittelbar nach dem Verhandlungstermin vergebens versucht, seinen Mandanten telefonisch zu erreichen: "Das ist mir nicht gelungen. Jetzt probiere ich es nicht mehr. Er weiß, wie er mich erreichen kann."
Dürfte nicht mehr in Aserbaidschan sein
Die Fahndung nach Seisenbacher brachte allerdings in den vergangenen vier Wochen keinen Erfolg. Der 56-Jährige, der zuletzt die Judo-Herren-Nationalmannschaft in Aserbaidschan trainiert hatte, dürfte sich nicht mehr in Aserbaidschan befinden. Informationen deuten darauf hin, dass er Ende Dezember den vorderasiatischen Staat verlassen hat.
Zu seiner möglichen Fluchtroute gibt sich die Justiz bedeckt: "Zu Fahndungsmaßnahmen können derzeit keine Angaben gemacht werden", war der Medieninformation des Landesgerichts zu entnehmen.