Bei einer Totgeburt kurz vor dem errechneten Geburtstermin steht auch dem werdenden Vater Trauerschmerzensgeld zu. Das hat jetzt der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil klargestellt. Denn es sei sowohl bei der werdenden Mutter als auch beim werdenden Vater eine intensive Gefühlsbindung zum ungeborenen Kind zu erwarten. Das Gegenteil muss ein Schädiger beweisen.

Wunsch nach Kaiserschnitt abgelehnt

Der Anlassfall: Eine damals siebzehnjährige Klägerin begab sich in der 37. Schwangerschaftswoche wegen Wehen in ein Krankenhaus. Die vorzeitige Wehentätigkeit war laut OGH ein Anzeichen dafür, dass die Plazenta an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gekommen war. "Im Krankenhaus wurden demnach CTG-Untersuchungen nicht richtig befundet und die deutlichen Hinweise darauf, dass es dem Baby nicht gut geht, die kontinuierliche Überwachung des Kindes unbedingt erforderlich ist und bei Untätigkeit irgendwann Lebensgefahr für das Kind eintreten kann, nicht erkannt", schilderte das Gericht auf seiner Homepage den Fall.

Der Wunsch der Klägerin nach einem Kaiserschnitt sei abgelehnt und ihr gesagt worden, es gehe dem Kind gut, so der OGH. "In diesem Glauben verließ sie, weil sie sich nicht gut betreut fühlte, gegen Revers nach 4-tägiger Wehentätigkeit das Spital ohne den Hinweis auf die Notwendigkeit einer laufenden Kontrolle." Wenige Tage später kam es "durch eine Sauerstoffminderversorgung infolge Zottenreifungsstörung zu einem intrauterinen Fruchttod". Die Klägerin musste nach entsprechender Einleitung ein totes Mädchen zur Welt bringen, "das bei richtigem Vorgehen durch Einleitung der Geburt oder Kaiserschnitt gerettet worden wäre". Laut OGH waren die Eltern nicht nur in Trauer versetzt worden, sondern es hatten beide - wenn auch nicht gleich intensive - psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert erlitten.

Mehr Schadenersatz für Mutter

Die Vorinstanzen sprachen dafür der Mutter 20.000 und dem Vater 10.000 Euro an ideellem Schadenersatz zu. Dagegen ging der Krankenhausbetreiber in Berufung. Doch der OGH bestätigte die Entscheidung. "Bei einem erwünschten Kind kann es keinem Zweifel unterliegen, dass spätestens dann, wenn das noch ungeborene Kind durch seine Bewegungen im Mutterleib - auch vom Vater - gespürt werden kann, typischerweise bei beiden Elternteile eine auf intensiver familiärer Bindung beruhende Nahebeziehung zu ihrem 'Kind' im Sinn eines 'Angehörigen' vorliegt, die zu vermuten ist", begründeten die Richter ihre Entscheidung.

Das müsse umso mehr dann gelten, wenn das ungeborene Kind schon so weit entwickelt gewesen ist, dass es lebensfähig gewesen wäre und durch einen Kaiserschnitt oder die Einleitung der Geburt gerettet werden hätte können. "Ein solcher Fall ist nicht anders zu beurteilen, als ob es bei der Geburt oder unmittelbar danach gestorben wäre", erläuterte der OGH.