Über zweieinhalb Jahre nach den gewalttätigen Ausschreitungen gegen den WKR-Ball am 24. Jänner 2014 sind am Donnerstag im Wiener Landesgericht zwei Demonstranten vom Vorwurf der schweren gemeinschaftlichen Gewalt und der schweren Sachbeschädigung aus unterschiedlichen Gründen freigesprochen worden. Die Anklagevertreterin gab vorerst keine Erklärung ab, die Freisprüche sind nicht rechtskräftig.

Die beiden Angeklagten - ein deutscher Software-Entwickler und ein Wiener Historiker - hatten sich in dem späten Prozess "nicht schuldig" bekannt. Im Fall des Deutschen, der aus seiner Heimat zur Demo angereist war, fällte der Schöffensenat einen glatten Freispruch. "Schon beim Lesen des Akts war klar, wohin die Reise gehen wird", stellte die vorsitzende Richterin Elisabeth Reich fest. Der Mann könne "in keinster Weise" dem sogenannten Schwarzen Block zugerechnet werden. Der Zweitangeklagte wurde demgegenüber in beiden Anklagepunkten im Zweifel freigesprochen. Im Unterschied zum Deutschen war er vermummt aufgetreten und hatte zugegeben, Steine in Richtung der Polizei geworfen zu haben.

Schwerwiegende Vorwürfe

Anklagevertreterin Verena Latzer hatte den Männern vorgeworfen, dem Schwarzen Block angehört und die Demonstration gegen den Akademikerball als Vorwand benutzt zu haben, "um Gewalt auszuüben und Sachbeschädigungen in größtmöglichem Ausmaß anzurichten", wie sie eingangs der Verhandlung darlegte. Die Gruppe gewaltbereiter Manifestanten wäre durchwegs vermummt, mit Knieschützern und mit Handschuhen aufgetreten, die mit Quarzsand befüllt waren. Die zwei Angeklagten hätten nicht nur an den Ausscheitungen teilgenommen, sondern auch Steine gegen ein Polizeifahrzeug geworfen, das vor der Polizeiinspektion (PI) Am Hof bereits mit einer Eisenstange und einem Bengalen demoliert worden war.

Vor besagter PI waren damals Einsatzkräfte mit Steinen beworfen worden, während die Eingangstür mit einer Eisenstange zertrümmert wurde. Das Dienstfahrzeug der Polizei wurde komplett zerstört. Der Sachschaden wurde später mit 17.000 Euro beziffert. Im Unterschied zu Josef S. - der deutsche Student wurde im Juli 2014 in Wien als Rädelsführer, der zu den Gewalttätigkeiten aufgestachelt haben soll, rechtskräftig zu einem Jahr Haft, davon vier Monate unbedingt verurteilt - wurde den beiden Angeklagten keine führende Beteiligung angelastet. Ungeachtet dessen wäre für die ihnen unterstellte schwere gemeinschaftliche Gewalt im Sinne des Paragraf 274 Absatz 1 StGB - der Nachfolge-Paragraf zum novellierten Landfriedensbruch - ein Strafrahmen von bis zu zwei Jahren zur Verfügung gestanden.

Der Software-Entwickler war damals mit zwei anderen Kollegen mit dem Flugzeug nach Wien gekommen, um - wie er nun erklärte - einen hier studierenden Freund zu besuchen. Zu viert gingen sie auf die Demo. "Ich finde es wichtig, dass dagegen demonstriert wird", deponierte der Angeklagte. Beim WKR-Ball handle es sich immerhin um "ein Vernetzungstreffen der europäischen Rechten". Er habe "nichts geworfen", sei auch nicht vermummt gewesen und habe mit dem Schwarzen Block nichts zu schaffen.

"Weggelaufen und gelacht"

Ein als Belastungszeuge geladener Polizist, der den Deutschen festgenommen hatte, erkannte diesen nicht wieder, zeigte sich aber überzeugt, dass dieser "definitiv bei der Gruppe dabei war". Ob er vermummt war, könne er nicht sagen, "aber er ist davongelaufen, wie alle davongelaufen sind". Er habe "keine Wahrnehmung, dass er etwas geworfen hat", musste der Zeuge einräumen. Auf die Frage der Richterin, warum er dann ausrechnet diesen Demonstranten festgenommen hätte, meinte der Polizist: "Weil wir nicht alle festnehmen können. Ich bin davon ausgegangen, dass er einer der Täter ist." Immerhin hätten die Davonlaufenden "im Weglaufen a richtige Gaudi g'habt bei dem, was grad passiert ist". "Festnahme also, weil er schwarz gekleidet war und gelacht hat", fasste die Richterin zusammen. "Dunkel gekleidet", korrigierte sie der Polizist.

Der Zweitangeklagte - ein studierter Historiker - hatte zunächst seinen kleinen Sohn besucht und war danach zur Demo aufgebrochen. Jener Polizeibeamte, der den Wiener festnahm, berichtete dem Schöffensenat, dieser hätte sich am Ende des Schwarzen Blocks befunden und sich innerhalb dieser Gruppe "dynamisch bewegt". 30 bis 40 Personen hätten dem Block angehört: "Alle vermummt, alle dunkel gekleidet, alle aggressiv. Es ist drunter und drüber gegangen. Es war Action pur. Ein Horror-Szenario. Ich hab' das noch nie erlebt bei der Polizei", so dieser Beamte.

Der schwarz gekleidete und vermummte Wiener Angeklagte hätte "in hohem Bogen" Ytong-Steine in Richtung der Kollegen bzw. eines bereits beschädigten Polizeifahrzeugs geworfen: "Wenn die einer auf den Kopf kriegt, tut es sicher weh." Der Polizist konnte den Angestellten aufgrund seiner markanten Brille identifizieren.

"Ich bin Antifaschist" - mit dieser Begründung erklärte der Wiener dem Gericht seine Teilnahme an der Demo. Dass er dabei eine Sturmmaske trug, rechtfertigte er folgendermaßen: "Ich hatte keine Lust, von Rechtsradikalen fotografiert zu werden. Ich habe auch keine Lust, in einem Polizeikordon abgefilmt zu werden." Er habe sich weder dem Schwarzen Block angeschlossen noch sei er Am Hof gewesen, als es dort rund ging: "Ich hab' die Polizeiwache gesehen. Die war schon kaputt. Ich hab das Polizeiauto gesehen. Das war kaputt."

"Aggressive Geste"

Er habe dann aber zwei Mal einen Ytong-Stein - diese stammten von einer Baustelle, wo ein Lkw mit einer seitlich geöffneten Ladefläche abgestellt worden war - genommen und in Richtung der Polizei geworfen: "Ich gebe zu, dass das eine aggressive Geste war. Es war eine aufgekratzte Stimmung." Er könne aber "zu 100 Prozent" ausschließen, einen Beamten oder ein Polizeiauto getroffen zu haben. Er habe "sicher niemanden verletzen wollen", versicherte der Angeklagte.

Trotz der Steinwürfe wurde der Mann freigesprochen. Ob dabei tatsächlich ein Einsatzfahrzeug der Polizei zu Schaden kam, war für das Gericht nicht nachweisbar. Eine versuchte Körperverletzung an Polizeibeamten kam nicht in Betracht, "weil das nicht angeklagt ist", wie Richterin Reich deutlich machte. Für eine Verurteilung wegen schwerer gemeinschaftlicher Gewalt reichte es wiederum nicht, weil der Senat im Zweifel zugunsten des Angeklagten davon ausging, dass die erforderliche Anzahl von 30 Teilnehmern nicht mehr gegeben war, als er sich in der gewaltbereiten Gruppe betätigte.

Ganz ungeschoren kam der Historiker aber nicht davon. Bei einer Demonstration im steirischen Spielfeld am 15. November 2015, wo der Wiener sich mit anderen Kundgebungsteilnehmern für die Flüchtlinge stark machte, hatte er einem Gegendemonstranten in Verletzungsabsicht einen Schlag gegen den Hinterkopf versetzt. "Ich bin hin und hab ihm mit der flachen Hand eine gegeben", behauptete er zu diesem Anklagefaktum. Es habe sich "eindeutig um einen rechten Demonstranten" gehandelt: "Ich hatte Angst, dass der Mann etwas in der Jacke hat."

Ob der Geschlagene tatsächlich verletzt wurde, steht nicht fest. Er konnte nicht ausgeforscht werden. Es gab allerdings mehrere Augenzeugen, die übereinstimmend von einem Faustschlag sprachen, und ein im Verhandlungssaal abgespieltes Video, auf dem zu sehen war, wie der mit einem bis zur Nase gezogenen Schal und einer Kapuze vermummte Angeklagte im Vorbeilaufen zuschlägt. Für die versuchte Körperverletzung setzte es am Ende drei Monate bedingt.