In Umsetzung der neuen EU-Tabakrichtlinie sollen Raucher mit "Schockfotos" auf Zigarettenpackungen vom Nikotinkonsum abgebracht werden. Eines der von der EU-Kommission vorgegebenen Bilder soll einen im Februar 2015 verstorbenen niederösterreichischen Unternehmer zeigen, der überdies Nichtraucher war. Die Witwe des Mannes hat nun gerichtliche Schritte gegen die Verbreitung des Bildes eingeleitet.
Vertreten wird die Frau von der Wiener Anwaltskanzlei Böhmdorfer. Diese hat - stellvertretend für Medien, die das Foto abgedruckt hatten - bereits vor Wochen beim Handelsgericht eine Einstweilige Verfügung gegen die "Wiener Zeitung" beantragt. Damit soll die Unterlassung der Verbreitung der Fotos erwirkt werden. "Wir erwarten eine Entscheidung darüber in den nächsten Tagen oder Wochen", sagte Anwalt Dieter Böhmdorfer, ehemaliger Justizminister, am Donnerstag der APA. "Außerdem werden wir alles unternehmen, damit dieser Gerichtsakt dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt wird", betonte Böhmdorfer. Ziel sei es, eine weitere Verbreitung des Bildes zu stoppen.
Der Anwalt hofft darauf, dass das Wiener Gericht "um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ersucht". Ein solches Vorabentscheidungsverfahren obliegt dem Gerichtshof der Europäischen Union. Es ermöglicht einem nationalen Gericht, den Gerichtshof zur Auslegung oder zur Gültigkeit des EU-Rechts anzurufen. Böhmdorfer will auf diesem Weg erreichen, dass "der EuGH sehr schnell die delegierte Richtlinie teilweise aufhebt - in Bezug auf die Fotos", sagte der Rechtsanwalt.
"Zweifellos wiedererkannt"
Dass es sich bei dem Abgebildeten, der an Schläuchen in einem Spitalsbett liegt, um den Niederösterreicher handle, sei "keine Frage der Überzeugung. Er ist es", betonte Böhmdorfer. Die Witwe schilderte am Mittwoch in der ZiB 2, dass ihr Mann 2014 im Wiener AKH wegen eines Gehirntumors behandelt wurde. Auch Verwandte und Bekannte, die den Mann in diesem Zustand im AKH sahen, hätten ihn zweifellos auf den Schockfotos wiedererkannt, sagte Böhmdorfer.
Ein Sprecher der EU-Kommission versicherte der ZiB 2, der Abgebildete wäre ein Schauspieler, der sich mit der Veröffentlichung einverstanden erklärt hätte. Dass das Foto die Angehörigen des niederösterreichischen Unternehmers aufwühle, tue ihm leid, sagte der Sprecher: "Unglücklicherweise schauen sich manche Menschen ähnlich. Das kann man leider nicht verhindern."
Aus Datenschutzgründen will die Kommission die Identität des Schauspielers nicht bekanntgeben. Das Wiener AKH schloss wiederum gegenüber der ZiB 2 aus, dass das Foto im AKH aufgenommen wurde. Die abgebildete Ausrüstung wie Defibrillator, Beatmungsschläuche und Wäsche würden "mit Sicherheit nicht verwendet", hieß es in einer Stellungnahme. Dem widersprach Böhmdorfer gegenüber der APA. Sehr wohl seien die abgebildeten Instrumente im AKH verwendet worden, schließlich gebe es dort "verschiedene Ausrüstungen".
Persönlichkeitsschutz
Falls der Abgebildete tatsächlich der Unternehmer ist, könnte das - sollten die gerichtlichen Schritte umgesetzt werden - gravierende Folgen haben. "Jeder, der das Bild verbreitet, hängt dann mit drinnen", erklärte die auf Persönlichkeitsschutzrecht spezialisierte Wiener Rechtsanwältin Maria Windhager. Auch nach dem Ableben des Betroffenen müssten der postmortale Persönlichkeitsschutz und die berechtigten Interessen der Hinterbliebenen gewahrt werden. "Schockfotos", die deren Erinnerung an den geliebten Angehörigen trüben, würden dem in jedem Fall entgegen stehen, gab Windhager zu bedenken.
Das hätte zur Folge, dass sich eine Unterlassungsklage nicht nur gegen die mediale Verbreitung der Bilder, sondern auch gegen den Zigarettenhersteller und Trafikanten richten könnten, die die Packungen mit den gegenständlichen Fotos verkaufen, betonte der ebenfalls auf Medien- und Persönlichkeitsschutz spezialisierte Wiener Anwalt Michael Rami. Der Bildnisschutz werde von der Judikatur "sehr großzügig" ausgelegt, nicht nur direkte Angehörige eines Verstorbenen, sondern auch ihm zu Lebzeiten nahe stehende Personen könnten sich darauf berufen. Sollte das gegenständliche Foto den Unternehmer zeigen, stufte Rami die Erfolgsaussichten einer Klage als "sehr gut" ein.