Das Paar - beide jahrelang drogenabhängig - hatte sich in einer Beratungsstelle für Suchtgiftabhängige kennengelernt. Wie der Bruder der 40-Jährigen vor Gericht aussagte, habe es sich um eine On-Off-Beziehung gehandelt. Erst kurz vor der Tat habe er sie verlassen. Als er in die Wohnung der Frau in Margareten zurückkam, bekam er mit, dass das Sexvideo kursierte. Der gebürtige Tunesier geriet laut Anklage "in Wut, nicht zuletzt deshalb, weil das Praktizieren von Anal-Sex unter Moslems verpönt ist und weil er von seinen Bekannten abschätzig behandelt wurde". Allerdings wurde der Film laut Staatsanwalt Michael Schietz von der Polizei nie gefunden.

Dem Staatsanwalt zufolge soll das Video entstanden sein, weil die Frau befürchtete, der um fünf Jahre ältere Mann könnte die Beziehung beenden. Der Beschuldigte erzählte, die 40-Jährige habe gedroht, das Video zu verbreiten, sollte er sie verlassen. In der Tatnacht habe sie "immer wieder davon gesprochen", erzählte der 45-Jährige. Unter Einfluss von Tabletten, u.a. nach Konsum eines ganzen Fläschchens Psychopax gegen Angstzustände, habe er zunächst versucht, sich mit dem laut Anklage 15 Zentimeter langen Küchenmesser umzubringen, indem er sich in die Herzgegend stach.

Die 40-Jährige wollte ihm daraufhin das Messer zu entreißen, dabei sei es zu einem Gerangel und schlussendlich zu den tödlichen Stichen im Halsbereich der Frau gekommen. Laut Gutachten wurde die 40-Jährige durch zwei Stiche in die Drosselvene verletzt, die Frau verblutete noch im Stiegenhaus ihres Wohnhauses, wohin sie sich flüchten wollte.

Nach seiner Festnahme gab der Mann zu, zugestochen und das Messer "wie einen Säbel" benutzt zu haben. Den Tötungsvorsatz stellte der von Verteidiger Philipp Wolm vertretene Tunesier aber in Abrede. Er habe "kein typische Nachtatverhalten" gezeigt, sagte Wolm. Er sei regungslos am Tatort gelegen. Wegen seiner Stichverletzungen musste er notoperiert und auf der Intensivstation behandelt werden. Der Anwalt stellte die Zurechnungsfähigkeit seines Mandanten zum Tatzeitpunkt und den für den Mordvorwurf notwendigen Vorsatz in Frage.

Demgegenüber stellte der Staatsanwalt die Aussage vor der Polizei, wo der 45-Jährige meinte, "bewusst zugestochen" zu haben, um die Frau auf Abstand zu halten. Die neun Zentimeter tiefen Stichverletzungen im Hals des Opfers höre sich nicht nach einem Gerangel, sondern nach "gezielten Stichen" an, meinte die.

Dem Angeklagten drohen bei einem Schuldspruch im Sinne der Anklage zehn bis 20 Jahre oder lebenslang. Bei der Strafbemessung würden sechs gerichtliche Vorverurteilungen eine Rolle spielen. Zuletzt hatte der 45-Jährige fünf Jahre wegen Drogenhandels abgesessen. Ende Mai 2014 war er aus dem Gefängnis entlassen worden.

Der Prozess wurde Mittwochmittag zur Ladung weiterer Zeugen vertagt. Das Schwurgericht gab den Anträgen von Verteidiger Philipp Wolm statt, die Psychiaterin des Angeklagten sowie den chemischen Sachverständigen Günther Gmeiner zu befragen.

Gmeiner soll u.a. zur Wechselwirkung der vom Beschuldigten konsumierten Medikamente Auskunft geben. Auch Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer muss noch einmal geladen werden. Der Sachverständige hatte nämlich bei seiner Begutachtung keine psychiatrische Erkrankung des Beschuldigten attestiert, wie er selbst am Mittwoch vor Gericht aussagte. Auch die Berauschung des 45-Jährigen zum Tatzeitpunkt sei "mittelgradig" gewesen. Zwei Stunden nach der Tat wären dem mutmaßlichen Täter eine Blut- und Harnprobe abgenommen worden. Der Konsum einer ganzen Flasche Psychopax sei aufgrund dessen nicht möglich gewesen. Der Gerichtspsychiater meinte, dass beim Angeklagten Dispositionsfähigkeit und Diskretionsfähigkeit gegeben waren.

Verteidiger Wolm beantragte deshalb die Ladung der Psychiaterin, die den Tunesier seit 2010 behandelt und bei ihm - entgegen dem Gutachten von Dantendorfer - Schizophrenie diagnostizierte. Als sich der Beschuldigte nach der Tat im Spital bereits in Gewahrsam befand, habe er laut Wolm einen weiteren Suizidversuch unternommen. Zunächst sei er mit einem Buttermesser auf einen Justizwachebeamten losgegangen und hätte dann das Messer gegen sich selbst gerichtet. Ein Amtsarzt hätte ihm bescheinigt, "nicht schuldfähig" zu sein, so Wolm. "Weil eines ist er nicht, ein kaltblütiger Mörder."

Der Antrag auf Ladung eines Zeugen, der im Besitz des Sex-Videos sein soll, wurde abgelehnt. Die Verhandlung wird am 9. Juni fortgesetzt.