Am Freitag ist im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen einen langjährigen Pfadfinder-Führer eröffnet worden, der seit 1994 Buben missbraucht haben soll. Laut Anklage nutzte der 59-Jährige, der ausschließlich "Wölflinge" - Kinder im Alter zwischen sieben und zehn - betreute, das ihm entgegengebrachte Vertrauen aus, um sich über Jahre hinweg an unmündigen Knaben zu vergehen.
Die Anklage umfasst drei Opfer, die mittlerweile 28, 16 und 13 Jahre alt sind. Den Ältesten soll der Mann von 1994 bis Sommer 2001 missbraucht haben, indem er diesen nach den Pfadfinder-Stunden mit nach Hause nahm und später auf Privatausflüge und sonstige Unternehmungen einlud. Er soll sich dabei mit dem Burschen Pornos angeschaut und diesem zum Masturbieren aufgefordert haben. Laut Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler kam es am Ende auch zu Oral- und Analverkehr, den das Opfer über sich ergehen ließ.
Der von Verteidiger Leonhard Kregcjk vertretene Angeklagte stellte alles in Abrede und bezeichnete die Angaben des 28-Jährigen als "total falsch". Dieser sage "aus Bosheit" gegen ihn aus, nachdem er seine finanzielle Zuwendungen an den jungen Mann eingestellt hatte: "Er war sehr, sehr erbost, dass ich ihm nichts mehr gegeben habe." Der 59-Jährige hatte seinem Schützling nach dessen Zeit bei den "Wölflingen" im Lauf der Jahre immer wieder Darlehen überlassen, die einen Gesamtbetrag von immerhin 53.000 Euro ausmachten.
Alles bestritten
Auch die jüngeren Fälle bestritt der 59-Jährige, der sich mittlerweile im Ruhestand befindet und eine Pension von 1900 Euro bezieht. Der 16-Jährige sehe in ihm "einen Sündenbock" und schiebe ihn "als Anlass für seine strafbaren Handlungen vor", gab der Angeklagte zu Protokoll. Der Bursch ist vor wenigen Monaten wegen Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil Mitglied einer Jugend-Bande war. Laut Anklage soll der 59-Jährige ab Herbst 2009 mit dem damals Zehnjährigen geschlechtliche Handlungen vorgenommen haben und diese erst eingestellt haben, als dieser altersbedingt in eine andere Pfadfinder-Gruppe kam.
Das jüngste Opfer wurde laut Anklage seit dem Vorjahr missbraucht, wobei sich diese Übergriffe nicht mehr in der Wiener Sektion, sondern im Bezirk Korneuburg abspielten. Dort lernte der Mann im Sommer 2014 den damals Zwölfjährigen kennen, dessen Anschuldigungen er nun gegenüber dem Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm) auf den angeblichen Egoismus des Unmündigen zurückführte: "Der hat das Problem, dass er alles als Erster haben will. Er hat ein egoistisches Verhalten. Ich habe ihn öfters auf harte Art zurückgewiesen." Der Bub belaste ihn jetzt zu Unrecht "aufgrund meiner Zurückweisungen und Zurechtweisungen".
Verhandlung vertagt
Die Verhandlung wurde auf 22. Jänner vertagt. Der Senat wird sich dann die ebenfalls aufgezeichneten kontradiktorischen Einvernahmen der heute 13 und 28 Jahre alten mutmaßlichen Opfer anhören. Außerdem sollen zwei ehemalige Lebensgefährtinnen des 28-Jährigen als Zeuginnen gehört werden, der dem Vernehmen nach unter gröberen psychischen Problemen leidet. Einer der beiden soll er, weil es beim Intimwerden wiederholt Schwierigkeiten gab, gestanden haben, er sei jahrelang bei den Pfadfindern missbraucht worden. Als die Frau von der Festnahme des 59 Jahre alten Pfadfinder-Führers in der Zeitung las, rief sie ihren Ex-Freund an und fragte ihn, ob er der Täter sei. Als dieser das nach einigem Hin und Her bejahte, brachte sie den 28-Jährigen dazu, ebenfalls Anzeige zu erstatten.
Bei einer Hausdurchsuchung konnte beim 59-Jährigen übrigens kinderpornografisches Material sichergestellt werden. Damit konfrontiert, führte er das gegenüber Richter Andreas Böhm auf "meine Lebensumstände, die in den letzten Jahren eingetreten sind" zurück. Eine schwere Erkrankung seines Vaters, die zu dessen Tod führte, seine "Zwangspensionierung" und das Ableben mehrerer Bekannter hätten ihn "aus dem Konzept, aus der Bahn geworfen. Da kommt man auf Ideen, da kommen einem Gedanken durch den Kopf".