Der am 24. Februar 2015 erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefundene Rachat Alijew war im Zeitpunkt seines Ablebens offenbar mit Medikamenten vollgepumpt. Zu diesem Ergebnis kommt das von der Staatsanwaltschaft Wien eingeholte toxikologische Gutachten. Im Körper des kasachischen Ex-Botschafters in Wien wurden demnach fünf verschiedene Arzneimittel nachgewiesen. Alle fünf Medikamente waren jedoch ärztlich verschrieben, stellte ein Sprecher der Justizanstalt Wien-Josefstadt Freitagabend klar.
Alijew, der am Morgen des 24. Februar tot in seiner Zelle aufgefunden wurde, habe die medizinisch indizierten Mittel "über einen längeren Zeitraum" und auch am Tag vor seinem Ableben eingenommen, erklärte die Chefärztin der Vollzugsdirektion, Margit Winterleitner, im Gespräch mit der APA. "Er war ein kranker Mann", betonte Winterleitner
Der Direktor des Gerichtsmedizinischen Instituts der Medizinischen Universität Innsbruck, Richard Scheithauer, fand Spuren von Zolpidem und Bromazepan. Beide sind als Schlafmittel bekannt. Bromazepan, das zur Gruppe der Benzodiazepine gehört, wird von der Medizin allerdings auch gegen akute Angstzustände und als Beruhigungsmittel eingesetzt. Daneben ließen sich der schmerzstillende und fiebersenkende Arzneistoff Paracetamol sowie zwei Medikamente nachweisen, die Aliyev gegen seine Diabetes sowie gegen Bluthochdruck verschrieben bekam.
Schnelltest nicht bestätigt
Dagegen bestätigten sich im toxikologischen Gutachten die Ergebnisse eines nach dem Leichenfund durchgeführten Schnelltests des Wiener Departments für Gerichtsmedizin nicht, der noch Hinweise auf Barbiturate im Blut Rachat Alijews ergeben hatte. Die Derivate der Barbitursäure sind als Betäubungsmittel einsetzbar. Diese Substanzklasse ist in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten.
Die nun vorliegende Expertise fand keine Hinweise auf Barbiturate, wobei es Manfred Ainedter, der langjährige Rechtsbeistand Alijews, "aufklärungsbedürftig" findet, "dass im toxikologischen Gutachten kein Bezug zu dem Schnelltest genommen wird". Abgesehen davon fordert Ainedter im Hinblick auf den nunmehr erbrachten Nachweis von zwei unterschiedlichen Schlafmitteln weitere und vor allem eingehendere Untersuchungen, zumal der Sachverständige Reinhard Scheithauer in seiner Expertise darauf hinweist, dass sich Zolpidem und Bromazepan in ihrer Wirkung "gegenseitig verstärken".
Es sei unabdingbar, jetzt auch das asservierte Leber-, Lungen-, Nieren- und Fettgewebe, den Mageninhalt und die Haare genauestens zu untersuchen, um die Todesursache zweifelsfrei zu klären, verlangte Ainedter im Gespräch mit der APA. Die Staatsanwaltschaft müsse ihr Versprechen wahr machen, umfassend in alle Richtungen zu ermitteln. Dass mit Scheithauer zur Klärung der Todesursache ein Gutachter bestellt wurde, der auch im Doppelmord-Verfahren gegen Alijew als toxikologischer Sachverständiger fungierte, bezeichnete Ainedter am Freitagnachmittag als irritierend: "Das beweist die mangelnde Sensibilität der Staatsanwaltschaft."
Keine Auffälligkeiten
Für die Staatsanwaltschaft Wien enthält das toxikologische Gutachten zum Ableben von Rachat Alijew "keine Auffälligkeiten", wie Behördensprecherin Nina Bussek am Freitag gegenüber der APA betonte. "Die genannten Wirkstoffe konnten festgestellt werden, entsprechen in ihrer Menge aber einer Medikation", so Bussek.
Alijew habe in der Justizanstalt wegen diverser gesundheitlicher Probleme mehrere Medikamente verschrieben bekommen, betonte Bussek. Die Anklagebehörde, die von Amts wegen die Umstände des Alijew-Ablebens untersucht, wartet jetzt vor allem auf das zweite, noch nicht vorliegende Obduktionsgutachten, das beim Institut für Rechtsmedizin in St. Gallen in Auftrag gegeben wurde. Davon dürfte abhängen, ob weitere Erhebungen in die Wege geleitet werden.
Ob Alijew alle fünf Medikamente, die bei der toxikologischen Untersuchung nachgewiesen werden konnten, ärztlicherseits verschrieben bekommen hat, ließ sich bei der Staatsanwaltschaft bzw. der Justizanstalt Wien-Josefstadt vorerst nicht in Erfahrung bringen