Am Landesgericht Wien ist am Montag ein 27-Jähriger nach der Tötung dreier Frauen in einem Asiastudio in Wien-Brigittenau in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen worden. Der Mann war am 23. Februar in das Etablissement gekommen und hatte die Betreiberin und zwei Sexarbeiterinnen mit mehr als 100 Messerstichen umgebracht. Der dreifache Mord konnte dem Afghanen nicht vorgeworfen werden, weil er zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war.
Der Afghane leidet unter einer ausgeprägten paranoiden Schizophrenie. Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann hält den Mann aufgrund seiner nachhaltigen und schwerwiegenden Störung für hochgefährlich. Die Entscheidung ist bereits rechtskräftig.
27-Jähriger fühlte sich von Hexe telepathisch beherrscht
Der 27-Jährige sagte, er habe in Serbien auf der Flucht aus seiner Heimat eine europäische Hexe, eine Satanistin getroffen, die ihn dazu verführen wolle, von seiner Religion - der Mann ist Muslim - abzufallen. In Wahrheit war es eine Flüchtlingshelferin, die streng christlich war und sich mit dem Mann eine Beziehung wünschte. Aufgrund seines Glaubens war er laut seinem Verteidiger Philipp Springer hin- und hergerissen, weil für ihn vorehelicher Sex einer Todsünde gleichkam.
Dabei kam seine Krankheit immer mehr durch. Er war davon überzeugt, dass die Frau seine Gedanken, seine Gefühle und seinen Körper kontrollieren könne. Sie hätte ihn telepathisch beherrschen wollen. Daraufhin ging er im Herbst 2023 nach Kärnten und dann weiter nach Wien, wo sein Zustand immer schlechter wurde. Eigentlich war er bei einem Freund aus Kindheitstagen untergebracht, doch „dann eskalierte es völlig“, sagte sein Verteidiger. „Die Hexe war in meinem Kopf und hat geredet“, sagte der Betroffene. „Sie hat mich gefragt, ob ich ihre Mächte anerkenne.“ Daraufhin schlief er im Freien und kaufte sich drei Messer.
Mehr als 100 Messerstiche: Prozess um Tod in Wiener Asiastudio
Frauen mit mehr als 100 Messerstichen getötet
Aus Sicht des 27-Jährigen hätten die Sexarbeiterinnen mit der Hexe zusammengearbeitet. Am Abend des 23. Februar ging er in das Studio. Die 67-jährige Betreiberin - eine Österreicherin - öffnete ihm die Tür und wies ihm ein Zimmer zu. Als daraufhin eine 47-jährige Sexarbeiterin zu ihm ging, stach er 16 Mal brutal auf sie ein. Die Chinesin starb noch an Ort und Stelle.
Dann ging er ins Nebenzimmer und ging auf eine weitere chinesische Sexarbeiterin (47) los und stach 30 Mal auf sie ein. Dann tötete er mit 60 Stichen die Betreiberin des Studios, die sich noch ins Badezimmer flüchten wollte. Der 27-Jährige suchte nach weiteren Opfern, konnte jedoch niemanden finden und verließ das Studio.
Weitere Frau und Kunde konnten sich verstecken
In einem Nebenraum war noch eine weitere Frau mit einem Kunden. Die beiden verhielten sich jedoch so leise, dass sie von dem Afghanen nicht entdeckt werden konnten. „Ich hörte die Schreie“, sagte die Frau vor Gericht als Zeugin. Als nach 20 Minuten draußen wieder alles ruhig war, sperrten sie die Tür auf und gingen aus dem Zimmer. Der Kunde lief davon, er konnte nie ausgeforscht werden. Die einzig überlebende Frau, sie arbeitete nach eigenen Angaben als Masseurin, rief ihren Ehemann an und sagte ins Telefon: „Blut, böse Menschen, bitte komm schnell.“ Der Mann setzte daraufhin die Rettungskette in Gang. „Ich bin so dankbar, dass ich noch am Leben bin“, sagte die 57-jährige Zeugin.
Keine Erinnerung an die Tötungen
Der Afghane konnte sich eigenen Angaben zufolge an die Tat nicht mehr erinnern. Er weiß nur noch, dass er zuvor in einer Moschee beten war. Dort wurde er unabsichtlich eingesperrt. Er flüchtete über ein Fenster und fuhr zu dem Asiastudio. Als er wieder zu sich kam, hatte er Schnittverletzungen an der Hand und seine Kleidung war blutdurchtränkt, sagte er.
Gegenüber dem Gutachter Hofmann hatte er im Vorfeld des Prozesses jedoch gesagt, dass er konkret vorhatte, diese Frauen zu töten. Hofmann betonte, dass Psychosen schon Gedächtnisstörungen verursachen können, es aber „aus medizinischer Sicht äußerst unwahrscheinlich ist, dass man sich an null erinnern kann“. Der Betroffene blieb dabei, dass er sich an nichts erinnern könne. „Ist es für Sie die angenehmere Strategie ist, sich an nichts zu erinnern“, fragte Hofmann, weil nach seiner Festnahme meinte er noch, dass es „Gottes Auftrag war, die Frauen zu töten“. „Das weiß ich nicht“, meinte der 27-Jährige.
Laut Hofmann war die Tat ein „psychotischer Aggressionsdurchbruch“ unter dem Einfluss der Krankheit. „Das kann man als Massaker, Gemetzel, Amoklauf bezeichnen“, meinte der Sachverständige. Die Prognose sehe sehr ungünstig aus. „Es besteht die ganz große Gefahr, dass er so etwas in absehbarer Zeit wieder macht.“ Seit vier Monaten befindet sich der 27-Jährige in der Sonderjustizanstalt Göllersdorf und werde medikamentös behandelt. Er sei soweit stabilisiert, dass er seinen Alltag bewältigen könne. Aber es gebe immer noch krankheitstypische Symptome wie das Hören von Stimmen.
27-Jähriger führte Stiche vor allem gegen Gesicht
Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp warnte die Geschworenen vor den Fotos vom Tatort und den Toten: „Es ist kein schöner Anblick.“ Der 27-Jährige habe die Stiche „mit massiver Wucht geführt“, so der Gutachter. In erster Linie führte er das Messer gegen das Gesicht, aber auch gegen den Hals, Nacken und Oberkörper, was Entstellungen zur Folge hatte. Von zwei Messern waren die Spitzen der Klinge aufgrund der Wucht abgebrochen.
Im März hätte der 27-Jährige nach Teheran zurückfliegen sollen. Seine Familie, die von den Taliban in den Iran geflüchtet war, hätte ihm aufgrund seiner Krankheit bereits ein Ticket gekauft. Zuvor hatten sie sogar versucht, seine Dämonen aus der Ferne mit einem Exorzisten auszutreiben.