In Leobersdorf (Bezirk Baden) soll auf dem Areal des zweitgrößten ehemaligen Frauen-Konzentrationslagers in Österreich ein Gewerbepark errichtet werden. Die Immobilienfirma von Bürgermeister Andreas Ramharter (Liste Zukunft Leobersdorf) hat die Gründe um 15,25 Millionen Euro verkauft und durch Umwidmungen 1,34 Millionen extra bekommen, berichteten „WZ“, „Falter“ und ORF. Ramharter verteidigte auf APA-Anfrage den Deal und sah keine Befangenheit. Von mehreren Seiten kam Kritik.

Bürgermeister stimmte mit

2021 hat die Firmenholding von Ramharter den Berichten zufolge die Gründe erworben und in den folgenden beiden Jahren in zwei Tranchen an einen Bauunternehmer veräußert. Die Verträge enthielten zwei sogenannte Kaufpreisbesserungen in Verbindung mit Umwidmungen bis Ende 2024 auf der - großteils bereits als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten - Wiese. Ein als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeter Streifen entlang der Bundesstraße sollte zu Bauland Betriebsgebiet werden, eine zweite öffentliche Verkehrsfläche zur Privatstraße. Ramharters Firma verpflichtete sich, diese Umwidmungen „nach Treu und Glauben aktiv zu betreiben und bestmöglich zu unterstützen“, wie es laut den Berichten in beiden Kaufverträgen hieß.

Die Umwidmungen erfolgten mit Gemeinderatsbeschlüssen 2023 und heuer im September, auch der Bürgermeister selbst stimmte zu. „Wir haben uns als Marktgemeinde Leobersdorf mehrfach schon mit der Frage der Befangenheit von Organen auseinandergesetzt und achten auch sehr genau auf die Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben“, teilte Ramharter laut den Berichten mit. Eine Befangenheit bestehe nicht, bekräftigte der Bürgermeister am Mittwoch auf APA-Anfrage. Zu Kaufpreisen äußerte er sich nicht.

Mauthausen Memorial: „Dialog gescheitert“

Das Mauthausen Memorial betonte Medien zufolge in einer schriftlichen Stellungnahme: „Unmittelbar nach Bekanntwerden der geplanten Verwertung des Areals zu gewerblichen Zwecken, machte das Mauthausen Memorial auf die Problematik einer kommerziellen Überbauung aufmerksam.“ Doch „mehrmalige Versuche, einen Dialog herbeizuführen, scheiterten“.

Ramharter sprach hingegen von Kontakt mit dem Mauthausen Memorial und dem Bundesdenkmalamt: „Wir haben das sauber abgearbeitet und immer die Kooperation gesucht.“ So habe man etwa Bodenradaruntersuchungen und Erkundungen auf dem Areal durchgeführt. Es sei vereinbart worden, keine Keller zu bauen, um die Fundamente zu erhalten, sagte Ramharter zur APA. Die Widmung als Betriebsgebiet bestehe bereits seit längerem. Weiters hielt er fest, dass mehrere Flächen, die in Kriegszeiten als Lager dienten, bereits neu genutzt worden seien.

Das Bundesdenkmalamt bestätigte laut den Berichten, „Gespräche mit Stakeholdern“ geführt zu haben. Einfluss auf die Flächenwidmung habe man keine. Das Areal steht nicht unter Denkmalschutz. Vorhanden sind auf den Gründen in Leobersdorf, auf dem das KZ-Außenlager Hirtenberg stand, u.a. Fundamente von Baracken. „Aus derzeitiger Sicht sind diese Reste - auch im Vergleich mit anderen ehemaligen, archäologisch feststellbaren Lagern, die unter Denkmalschutz stehen - im Sinn des Denkmalschutzgesetzes nicht ausreichend, um sie unter Denkmalschutz zu stellen“, teilte das Bundesdenkmalamt laut Berichten mit.

SPÖ-Sprecherin fordert respektvollen Umgang

Die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz, bezeichnete die Baupläne am Mittwoch als „unerträgliche Geschichtsvergessenheit“ und forderte einen Stopp des Projekts. „Die historische Verantwortung gegenüber den Opfern der NS-Zeit verlangt einen respektvollen Umgang mit diesen Orten“, teilte die Nationalratsabgeordnete in einer Aussendung mit.

„Dass durch Umwidmung dieser Flächen auch noch Profite gemacht wurden, hat dabei einen ganz fahlen Beigeschmack.“ Sie verlangte ein Eingreifen des Bundes, um das Gelände langfristig als Gedenkstätte zu sichern. SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner ist es wichtig, „die Erinnerung an das Schicksal der Frauen im Nationalsozialismus weiterzutragen“.

Die Grünen sprechen von „erschreckendem Beispiel“

„Was wir hier beobachten, ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie mit historisch sensiblem Boden umgegangen wird, wenn wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen“, kritisierte Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen Niederösterreich, in einer Aussendung. Das geplante Bauvorhaben sei „Beispiel für die besorgniserregende Entwicklung der Raumordnung“ im Bundesland: „Besonders bedenklich ist, dass sich im Umfeld der Bürgermeister immer wieder Profiteure dieser Entwicklung finden.“ Krismer kündigte einen Antrag zur Änderung des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes vor, der ein Bebauungsverbot für historisch belastete Grundstücke vorsieht.

NEOS-Landesparteivorsitzende Indra Collini sah „enormen Handlungsbedarf bei den Kontrollmechanismen innerhalb von Gemeinden“ sowie die Notwendigkeit, über einen strengeren Wertekompass für Bürgermeister nachzudenken. „Im Fall der Causa Leobersdorf wird jedenfalls genau zu prüfen sein, was der Gemeinderat in dieser komplexen Umwidmungsabstimmung genau wusste und was vielleicht auch nicht“, hielt sie in einer Aussendung fest.

„Die fragwürdigen Grundstücks-Deals zeigen erneut, dass es in der Raumordnung massive strukturelle Probleme gibt“, schildert WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories. In einer Aussendung fordert er Kompetenz-Reformen sowie schärfere Gesetze und Kontrollen. Zudem müsse ausgeschlossen werden, dass Bürgermeister gleichzeitig in der Immobilien- oder Bauwirtschaft tätig sein dürfen, weil das potenziellen Unvereinbarkeiten bei Umwidmungen Tür und Tor öffne.

Die Liste Zukunft Leobersdorf hält die absolute Mehrheit im Gemeinderat. 2020 wurden 53,30 Prozent erreicht. Im Jänner 2025 finden in Niederösterreich Gemeinderatswahlen statt.