Anfang November wurde in Voitsberg das jüngste Gewaltschutzzentrum Österreichs eröffnet, 33 Standorte gibt es mittlerweile. In Kärnten feiert das Gewaltschutzzentrum heuer 25 Jahr-Jubiläum und erst vor Kurzem wurde die Polizistin Sylvia Klee mit dem Kärntner Gewaltschutzpreis ausgezeichnet. Dank solcher und weiterer Einrichtungen und Hilfsangebote, wie den Frauenhäusern oder dem Männernotruf, sind die Femizide in den vergangenen 50 Jahren in Österreich zurückgegangen. Dennoch wurden im Vorjahr 26 Frauen ermordet.
Warum es in manchen Jahren in einzelnen Bundesländern einen deutlichen Anstieg an Femiziden gibt, wie im Vorjahr in der Steiermark, als allein dort elf Frauen ermordet wurden, sei schwer nachvollziehbar, sagt Marina Sorgo, Geschäftsführerin und Bundesverbandsvorsitzende der Gewaltschutzzentren in Österreich mit Sitz in Graz: „Das müsste genauer analysiert werden.“
Grundsätzlich verfüge man in Österreich über ein ausgezeichnetes Netzwerk an Opferschutz-Einrichtungen: „Österreich hat seit fast 30 Jahren den Gewaltschutz sukzessive weiterentwickelt, wir haben international vorbildhafte Gesetze und der Opferschutz ist flächendeckend ausgebaut.“ Ein Problem ortet Sorgo aber in den „Haltungen und Einstellungen gegenüber häuslicher Gewalt an Frauen“, die noch immer sehr bedenklich seien.
Besorgniserregend sei auch ein Rückschritt, den man zur Zeit in der Vermittlung von Rollenbildern erlebe, wie durch so genannte Tradwives (Kurzform für traditional wives, traditionelle Ehefrauen), die in Sozialen Medien ein althergebrachtes Rollenbild von Mann und Frau tradieren. „Derartige Trends sind ein großes Problem angesichts des Umstands, dass gerade die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern einen positiven Beitrag zur Reduktion häuslicher Gewalt leisten kann“, sagt Sorgo.
Noch zu wenig im Fokus stehe außerdem „der Bereich der psychischen Gesundheit und der Ausbau von Täterinnen- und Täterarbeit in Form von ausreichenden Trainingsprogrammen. Wir wissen aus den letzten Studien in Österreich, dass viele Täter bzw. Täterinnen auch psychische Probleme bzw. Erkrankungen hatten. Weiters müssen wir Eltern möglichst früh unterstützen, damit sie gewaltsame Konfliktlösungsmodelle nicht an ihre Kinder weitergeben.“ Pränatale Programme, Traumatherapie für vulnerable Eltern sowie kostenfreie Plätze für traumatherapeutische Unterstützung für Opfer sowie Täterinnen und Täter gebe es zu wenig, sagt Sorgo.
Langfristig sei es wichtig, strukturelle Machtungleichverhältnisse aufzudecken und zu verändern, denn, so Sorgo, eine echte Gewaltprävention könne nur gelingen, „wenn sich ein starker gesellschaftlicher Konsens entwickelt, der Gewalt (auch) in der häuslichen Sphäre unzweideutig ächtet und die Verantwortung den Tätern beziehungsweise Täterinnen zuweist“.