Im Prozess wegen Vergewaltigung und anderer Delikte ist Freitagnachmittag ein Wiener DJ am Straflandesgericht zu 32 Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden. Zehn Monate davon muss der 29-Jährige im Gefängnis absitzen. Zudem muss der Mann eine Psychotherapie absolvieren. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der DJ nahm die Strafe an, die Staatsanwaltschaft geht allerdings in Berufung.
Neben Vergewaltigung in einem Fall erfolgte der Schuldspruch auch wegen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung in zwei Fällen. Von allen anderen Anklagepunkten wie sexuelle Belästigung sowie der Missbrauch von wehrlosen Personen wurde er freigesprochen. Dafür gab es für den Schöffensenat „zu wenig Beweissubstrat“, wie die vorsitzende Richterin Danja Petschniker ausführte. Deshalb erfolgte die Verurteilung neben der Vergewaltigung auch wegen des Paragrafen 205a Strafgesetzbuch. „Die Idee hinter dem Paragrafen ist, dass ein ‚Nein‘ auch ein ‚Nein‘ bleiben muss“, betonte Petschniker. Mildernd wurden das Geständnis und der bisherige Lebenswandel gewertet. Erschwerend war das Zusammentreffen von mehreren Straftaten.
Verhandlung startete mit überraschendem Geständnis
Die Verhandlung hatte am Freitag mit einem überraschenden Geständnis des Angeklagten gestartet. Der 29-Jährige gab am zweiten Verhandlungstag zu, im März 2024 auf der Toiletten-Anlage in einem Club einer Bekannten einen Stoß versetzt zu haben, sie fixiert und zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung gezwungen zu haben.
Der Angeklagte kannte die 23-Jährige seit zwei Jahren von Sexpositiv-Partys. Am ersten Verhandlungstag stellte er diese gegen ihn erhobene Anschuldigung in Abrede: „Sie war eine gute, liebe Freundin von mir. Ich könnte ihr nie Gewalt antun. Ich bin prinzipiell kein gewalttätiger Mensch.“
Nachdem die Frau beim letzten Verhandlungstermin ausgesagt hatte und sichtlich mitgenommen die Übergriffe schilderte, legte der Beschuldigte nun ein Geständnis ab. Ihrer Darstellung zufolge hatte sie der 29-Jährige unter dem Vorwand, ihm gehe es nicht gut, auf die Herren-Toilette gelockt. Dort habe sie sich um ihn kümmern wollen. Er sei dann aber zudringlich geworden. Sie habe ihn wegzustoßen versucht, was ihr nicht gelungen sei. Er habe ihren Widerstand mit Gewalt überwunden: „Ich hatte noch eine Woche später blaue Flecken.“
Wiener DJ: „Ich schäme mich dafür, was da passiert ist“
„Ich schäme mich dafür, was da passiert ist“, sagte der 29-Jährige heute in seinen Abschlussworten. „Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen“, erklärte er und richtete seine Worte an die im Publikum sitzende Frau. „Ich bin bereit, an mir zu arbeiten.“
Zunächst beschuldigten fünf Frauen den DJ. Am ersten Verhandlungstag am 17. Oktober dehnte die Staatsanwältin dann die Anklage aus, weil sich ein weiteres Opfer zwei Tage zuvor bei der Polizei gemeldet und davon berichtet habe, dass sie im Herbst 2022 mit dem Angeklagten Drogen und Alkohol konsumiert und ihn dann nach Hause begleitet hätte. Dort sei sie „wie weggeschossen“ gewesen - der Mann soll diesen Zustand ausgenutzt haben, um mit der ebenfalls Wehrlosen Geschlechtsverkehr zu vollziehen.
„Er war ein Überredungskünstler, der alle auf seine Seite gezogen hat“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. Aber der Beschuldigte habe Grenzen überschritten, um seine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen und habe auf die Opfer keine Rücksicht genommen. Auch wenn es im Vorfeld freiwilligen Sexualkontakt zu den Frauen gegeben habe, später hätten dann die Opfer „Nein“ gesagt, „und das reicht, daran muss er sich halten“.
Mehr zum Fall
„Keine einzige Belastungszeugin hat von einem drohenden und gewalttätigen Verhalten meines Mandanten erzählt“, argumentierte Verteidiger Sascha Flatz. Jeder könne im Verlauf seine Ansicht ändern. „Ein ‚Nein‘ gilt ja nicht den ganzen Abend“, so sein Anwalt. „Er ist kein schlechter Mensch, sondern ein Mensch, der keine Grenzen kennt.“
#TechnoMeToo
Der Angeklagte sitzt seit Ende Juli wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft. Er muss jetzt noch sieben Monate absitzen. Die verfahrensgegenständlichen Missbrauchshandlungen sollen sich zwischen April 2021 und März 2024 ereignet haben.
Der Fall ist bekannt geworden, nachdem unter dem Hashtag #TechnoMeToo im September 2023 die Aktivistin und Party-Veranstalterin Frederika Ferková und die DJ Sabrina Geißler ein Bewusstsein für Übergriffe auf Frauen, trans und nonbinäre Personen im Wiener Nachtleben geschaffen haben. Daraufhin berichteten dutzende Betroffene von missbräuchlichem Verhalten von männlichen Club-Besitzern, Veranstaltern und DJs. Ein Name, der dabei fiel, war der des nun verurteilten 29-Jährigen.