PRO

Thomas Golser: Vorab: Bis das Umstellen der Uhren – das erledigen digitale Gerätschaft und Funkuhren längst eigenständig – tatsächlich Geschichte wird, könnte es noch lange dauern. Einigkeit innerhalb der Europäischen Union scheint fern. Der Vorschlag der EU-Kommission sah vor, dass es zu keinen Zeitumstellungen mehr kommt. Jeder Mitgliedstaat sollte selbst entscheiden dürfen, ob er nun ganzjährig auf Sommerzeit oder „Winterzeit“ umstellen will.

Gangbar war das offenbar nicht, es hagelte aus diversen Ländern postwendend Bedenken gegen diesen Plan – gemeinhin wurde ein Tohuwabohu aus verschiedenen Ansichten über Zeit befürchtet. Zumindest bis zu den Terminen für das halbjährliche Umstellen der Uhren (1980 in Österreich zuletzt wieder eingeführt) entschläft die Debatte dann meist wieder.

Das bedeutet also: Verrücken der Zeiger auf Sommerzeit am letzten Sonntag im März – und auf Winterzeit am letzten Sonntag im Oktober. Wozu aber das herbstliche Umstellen, das uns zwar morgens etwas früher Tageslicht beschert, aber für noch früher angesetzte Dunkelheit am Nachmittag – also in der beginnenden Freizeitphase für viele Berufstätige und Schüler – sorgt? Letztere werden im Winter so oder so noch im Dunkeln zu ihrer Schule aufbrechen.

Permanente Sommerzeit wäre durchaus ein Gewinn für Gesundheit und Leistungsfähigkeit: Ständige Sommerzeit würde zwar bedeuten, dass es im Winter teils erst gegen 9 Uhr morgens hell würde, im Gegenzug gäbe es aber abends länger Tageslicht, das sich gut nutzen ließe. Nicht umsonst heißt Sommerzeit im Englischen „Daylight Saving Time“. Bei „Normalzeit“ würde es schon in der Übergangszeit kurz nach 18 Uhr dunkel, in Summe ist so nur noch am Wochenende das Tageslicht verwertbar. Im Sommer gibt es – im Gegensatz zum ohnehin mehrheitlich dunklen, kalten und für die menschliche Psyche nicht unbedingt zuträglichen Winter – ausreichend Sonnenlicht.

Und dann tönt da noch immer das Argument des Energiesparens, das einst in Ölkrisenzeiten für die Einführung der Zeitumstellung ins Treffen geführt wurde – und das so nicht stimmt: Im Sommer wird zwar tatsächlich weniger Strom für Licht verbraucht – im Frühling und im Herbst wird jedoch laut Experten in den Morgenstunden mehr geheizt. Über den Daumen gepeilt, ist es ein energiewirtschaftliches Nullsummenspiel.

Das offizielle Österreich tendiert zu ständiger Sommerzeit als Standardzeit – gestützt wurde dies auch von diversen Umfragen. Das Volksbegehren „Beibehaltung der Sommerzeit“ brachte es im Frühling 2023 auf immerhin 168.705 Unterschriften

Eine zumindest halbjährliche Diskussion, an deren Ende man ehrlicherweise auch die Erkenntnis stellen sollte, die im Leben oft zutrifft: Keine Option bringt nur Vorteile. Am Ende zählt, wie man seine Zeit nutzt.

CONTRA

Uwe Sommersguter: Lästig ist es schon, das An-der-Uhr-drehen. Zweimal im Jahr müssen wir unseren Restbestand an analogen Zeigern nach vorne (März) oder zurück (Oktober) bewegen – und so manch weitere Mühsal auf uns nehmen. Spätestens am Vormittag ist dieser Spuk dann meist vorüber – für ein halbes Jahr nutzt der Mensch den Lauf der Sonne zu seinem Vorteil.

Mit diesem schlauen Kniff, Ende des 19. Jahrhunderts „erfunden“, holen die Menschen im Sommer Tageslicht in ihren Alltag, wenn sie wach sind, und richten ihren Lebensrhythmus am Lebensspender Sonne aus, statt diesen gleichmacherisch zu ignorieren. Ein Zugewinn an Qualitätszeit, die man am besten in Aktivitäten investiert. Ist es länger hell, steigert das die Sicherheit – im Straßenverkehr und ganz generell. Nicht die Zeit diktiert dann den Menschen, sondern der Mensch die Zeit.  

Wird es dann Ende Oktober, ändert sich etwas Substanzielles: Mensch und Natur wechseln in den Wintermodus. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger. Mit den kühleren Temperaturen macht sich das Tageslicht rar, die Helligkeit wird zum knappen Gut. Gerade in den Morgenstunden, wenn der Mond für die Sonne das Feld räumt, ist jeder Lichtstrahl, ja selbst dumpfes Winterlicht, ein Gewinn. Und wiederum ein Plus an Sicherheit: Es ist ein Unterschied, ob sich Massen von Schülern und Werktätigen bei (zumindest) Dämmerung auf den Weg machen oder in stockdunkler Nacht – ein Bonus für Psyche, Motivation und Sichtbarkeit.

Weder die ultimative Festlegung auf die Sommerzeit noch jene auf die Normalzeit – Winterzeit gibt es ja keine – würde deren Vorteile vereinen. Dafür braucht es eben die Plackerei der Zeitumstellung, die sich bereits Generationen angetan haben. Das einst schlagende Argument für die Umstellung der Uhrzeit vor und nach dem Sommer – das Energiesparen – hat Untersuchungen zufolge zwar an Relevanz eingebüßt, soll aber nicht unterschlagen werden.

Noch nicht überzeugt? Begeben wir uns auf einen Ausflug nach Russland, wo 2011 aus Sorge um den nationalen Biorhythmus die permanente Sommerzeit eingeführt wurde. Er kenne keinen, der die Umstellung gut findet, meinte der damalige Präsident Medwedew. Nachfolger Putin drehte dann – buchstäblich – die Uhren zurück in den Winter. Seit 2014 gilt die ganzjährige Normalzeit. Berichten zufolge wärmt das die russische Seele keineswegs, viele klagen über verlorene Sonnenstunden und weniger Zeit für Freizeitaktivitäten. Früher Sonnenschein im Sommer wiederum sorgt für Schlafstörungen.

Ewige Sommerzeit? Dauerhafte Normalzeit? Oder doch das Beste beider Welten, begleitet vom nicht verstummenden Wehklagen derer, die das als Zumutung empfinden? In einer Welt, die den Kompromiss verlernt hat, hat diese Übung auch einen demokratiepolitischen Mehrwert.