Für gewöhnlich ist der Wienfluss ein Rinnsal, wo sich Fisch und Ente gute Nacht sagen. An normalen Tagen führt er einen halben Kubikmeter Wasser pro Sekunde, am Sonntagvormittag waren es 400 Kubikmeter. Das Ergebnis dessen war eine Überflutung der Lokal- und Partymeile am Donaukanal, in den der Wienfluss mündet. Vom zuständigen Magistrat der Stadt Wien hieß es am Montag, dass dies „noch nie“ passiert sei.

Dass die Stadt vom Hochwasser überrascht wurde, ließ sich auch daran erkennen, dass etwa die Mistkübel am Treppelweg des Kanals nicht vorsorglich verräumt wurden. Sie werden wohl bald in Ungarn ankommen. Nach nur wenigen Stunden sank der Pegel des Donaukanals wieder, während jener der Donau noch anstieg. Wie es genau zu dieser lokalen Überschwemmung kam, ob sie vielleicht auch hätte verhindert werden können, wird nun geprüft.

Die Zerstörungen bei einem Lokal am Donaukanal
Die Zerstörungen bei einem Lokal am Donaukanal © Simon Rosner

Die Überflutung des Treppelwegs bedingte auch eine Sperre der U4, die entlang des Kanals führt. Auch andere U-Bahn-Linien mussten gesperrt werden. Der Sonntag half, dass Wien ein Verkehrskollaps erspart blieb, wobei für einige Stunden die Stadt generell nur schwer erreichbar war. Die Hauptverkehrsrouten auf der West- und Südstrecke, Schiene wie Autobahn, waren bis zum Sonntagabend gesperrt. In einigen Teilen der Stadt brach vorübergehend auch die Stromversorgung zusammen, für die Größe des Hochwasserereignisses kam Wien aber insgesamt glimpflich davon.

Es begann im Jahre 1501

Ein Grund dafür ist im Jahr 1501 zu verorten, als Wien von einer Jahrtausendflut heimgesucht wurde. In den 1930er Jahren wurde berechnet, dass die Donau damals im Mittelalter mit 14.000 Kubikmetern pro Sekunde durch die Stadt geflossen sein muss. Auf diesen Wert ist bis heute der Hochwasserschutz ausgelegt.

Die Donau, der zweitgrößte Fluss Europas, war für Wien über Jahrhunderte Segen und Fluch gleichermaßen. Frühe Bestrebungen einer Regulierung der weitläufigen Auenlandschaft blieben erfolglos. Die vielen Seitenarme und Verästelungen der Donau, die regelmäßig überschwemmt wurden, stellten spätestens im 19. Jahrhundert nicht nur eine Gefahr, sondern auch ein Hindernis für die Expansion der wachsenden Stadt dar.

Die 1867 eingesetzte Donau-Regulierungskommission (heute: Donau-Hochwasserschutz-Konkurrenz), bereits damals besetzt durch den Bund, Wien und Niederösterreich, bereitete die erste große Donauregulierung (1870 bis 1875) vor. Man begradigte den Flusslauf, der einstige Hauptarm wurde zur Alten Donau, die heute ein Erholungsgebiet ist. Es wurden Brücken errichtet und der Donaukanal – ein früherer Hauptarm – ausgebaut. Der Wienfluss wurde Ende des 19. Jahrhunderts in einem tiefen Becken eingehegt und ein Retentionsbecken in Auhof am Stadtrand errichtet.

Es kam trotzdem zu einigen Hochwasserereignissen, nach jenem 1954 begannen die Planungen für eine erneute Hochleistung der Ingenieurskunst. Ab den frühen 1970ern bis 1988 wurde anstelle eines Überschwemmungsgebiets das Entlastungsgerinne („Neue Donau“) gegraben und die 21 Kilometer lange Donauinsel aufgeschüttet. Die jüngsten Arbeiten betrafen wieder den Wienfluss, der auf Höhe von Hütteldorf nach der Westeinfahrt renaturiert wurde. Die Wassermassen am Wochenende überforderten dann aber doch den Hochwasserschutz – wenn auch nur für wenige Stunden.