Im von Überschwemmungen stark getroffenen Niederösterreich sind am Wochenende Hunderte Menschen gerettet worden. 304 waren es bis zum späten Sonntagabend laut einer Bilanz der Feuerwehr allein im Bezirk St. Pölten. „In vielen Gemeinden herrscht Land unter. Die Lage bleibt im ganzen Land angespannt“, teilte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) mit. Weitere massive Regenfälle wurden erwartet.

Das Bundesland gilt seit Sonntag als Katastrophengebiet. Im Fokus stehen laut Pernkopf Dammsanierungen und Schutz der Dämme, zahlreiche Menschen wurden bereits evakuiert. „Die Regenfälle beginnen wieder stärker und massiv zu werden“, teilte der Landesvize der APA mit. Die Böden können diese Niederschläge nicht mehr aufnehmen, daher bestehe auch die Gefahr von weiteren Dammbrüchen. „Ab dem Vormittag ist in allen Flüssen Niederösterreichs mit einem neuerlichen Ansteigen der Wasserstände zu rechnen“, so Pernkopf.

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181 Feuerwehren im Einsatz

Die Polizei in Niederösterreich hat am Montag „aus gegebenem Anlass“ dringend appelliert, bestehende Fahrverbote und Absperrungen im Zusammenhang mit der Hochwassersituation in ganz Niederösterreich „zu beachten und nicht mit Fahrzeugen in gesperrte Gefahrenbereiche einzufahren“. Den Anweisungen der Einsatzkräfte sei „unbedingt Folge zu leisten, ein Befahren der Straßen bringt sie selbst und auch die Einsatzorganisationen in Lebensgefahr“. Nicht zuletzt wies die Landespolizeidirektion Niederösterreich explizit darauf hin, „dass die hochwasserführenden Flüsse nach wie vor lebensgefährliche Bereiche darstellen“. Diese nicht zu betreten, gilt als Appell an Schaulustige.

Video: Rettungsaktionen in Niederösterreich und aktuelle Statements des Krisenstabs:

In der Nacht auf Montag waren 181 Feuerwehren mit 950 Mitgliedern bei 104 Einsätzen gefordert. Die Schwerpunkte hätten sich nicht verändert, erklärte Klaus Stebal vom Landesfeuerwehrkommando. Im Vordergrund standen nach wie vor Menschenrettungen, berichtete das Bezirksfeuerwehrkommando St. Pölten. Unterstützung dabei gab es durch Hubschrauber ebenso wie durch die Wasserrettung. Zudem liefen in der Nacht auf Montag zahlreiche Großpumpen. Der Fall war das u.a. im Landespensionistenheim St. Pölten-Wagram. Die Pegel aller Flüsse in der Region waren fallend.

A2 ist wieder befahrbar

Im Bezirk St. Pölten waren in der Nacht auf Montag 61 Feuerwehren mit 854 Mitgliedern im Einsatz. Zusätzlich aufgeboten waren Züge des Katastrophenhilfsdienstes aus Amstetten, aus Braunau und Grieskirchen (jeweils Oberösterreich) sowie aus Leibnitz (Steiermark). Je zwei weitere aus Oberösterreich und der Steiermark waren für Montag angefordert.

Im Frühverkehr war mit erheblichen Problemen zu rechnen. In den Morgenstunden gab es Behinderungen und Verzögerungen, aber vorerst „keine massiven Staus“, berichtete ein ÖAMTC-Sprecher. Die Südautobahn (A2) war seit der Früh wieder befahrbar. Weiterhin unpassierbar waren mehrere Auf- und Abfahrten von Autobahnen und Schnellstraßen sowie zahlreiche Bundes- und Landesstraßen. Probleme gab es auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Weststrecke der Bahn zwischen St. Valentin und Wien blieb gesperrt.

„Keine Entwarnung“

„Wir haben bis in die frühen Morgenstunden eine zweite Verteidigungslinie in Form eines über 500 Meter langen Sandsackdamms errichtet“, berichtete Christoph Firlinger, Kommandant der Feuerwehr Hadersdorf am Kamp (Bezirk Krems-Land). Probleme bereitete der Gschinzbach. Außerdem wurden Behelfsdämme auf einer Länge von 1.300 Metern gebaut. Für Montag wurden erneut Black Hawk-Hubschrauber erwartet. Diese sollten wie bereits am Sonntag mithilfe von „Big Packs“ den Damm sichern. „Über die Nacht ist der Pegel gefallen, wir erwarten laut Prognosen aber am Nachmittag noch eine Spitze“, sagte Firlinger. Wie sehr der Wasserstand steige, hänge auch davon ab, wie stark die Niederschläge im Waldviertel ausfallen.

Aus dem Stausee Ottenstein, wo am Sonntagnachmittag die Hochwasserklappen der Staumauer abgesenkt worden waren, wurde der kontrollierte Ablauf von zunächst 130 Kubikmetern Wasser pro Sekunde „in Abstimmung mit der Behörde“ auf etwa 250 erhöht, teilte EVN-Sprecher Stefan Zach Montagfrüh mit. In den Nachtstunden seien bei einem Zufluss von bis zu 330 Kubikmetern pro Sekunde weitere 2,5 Millionen Kubikmeter eingespeichert worden. Das freie Volumen in dem Waldviertler Stausee bezifferte Zach mit vorerst sechs Millionen Kubikmeter. Am Freitag seien es noch 32 Millionen gewesen.

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Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte am späten Sonntagnachmittag erklärt, dass nach wie vor „keine Entwarnung“ gegeben werden könne. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte seitens der Bundesregierung Mittel aus dem Katastrophenfonds zu. „Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten den Fokus auf die Hauptbetroffenen legen, die am meisten verloren haben“, hielt Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der ZiB2 am Sonntagabend fest. Die Arbeiterkammer Niederösterreich verwies indes in einer Aussendung auf ihre Katastrophenhilfe. Betroffene Mitglieder werden mit bis zu 1.000 Euro zur Unterstützung der Beseitigung von Schäden an Häusern und Wohnungen unterstützt.

St. Pölten war besonders betroffen

Generell von Wassereinfluss besonders betroffen war die Stadt St. Pölten. Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) konstatierte im Ö1-„Morgenjournal“, dass die Landeshauptstadt nicht nur von der Traisen, sondern vor allem auch durch die Nebengewässer „in Atem gehalten“ worden sei. Die Landeshauptstadt sei mit Regen- und Abflussmengen konfrontiert worden, „wie es nie jemand erlebt hat“. Tausende Liegenschaften stünden unter Wasser, „die Schäden werden enorm sein“.

In Pottenbrunn, einem St. Pöltner Stadtteil, fiel nach Überflutungen die Abwasserentsorgung großteils aus. In der Nacht auf Montag wurden daher fünf mobile WC-Containeranlagen in Betrieb genommen. Für das Benutzen von Duschen und Toiletten wurde das städtische Freibad geöffnet. Es kam auch zu Problemen mit der Trinkwasserversorgung, etwa in Wilhelmsburg (Bezirk St. Pölten). Weiters gab es Stromausfälle in Teilen des Landes.