Das unwetterbedingte Hochwasser hat auch die Bundeshauptstadt erreicht. Für den Wienfluss war am Sonntag bereits die Rede von einem 100-jährlichen Hochwasser, wie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Mediengespräch zusammen mit Vertretern des Einsatzstabes erklärte. Derzeit gingen die Pegelstände jedoch zurück, sagte Ludwig. Wienweit wurden bisher sechs Personen durch die Folgen des Unwetters verletzt, hieß es bei einem Pressegespräch am Sonntagnachmittag.
„Es sind Personen durch Sturmeinwirkung verletzt worden, durch herabstürzende Äste oder Bäume“, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Pressegespräch mit Vertretern des Einsatzstabes am Sonntagnachmittag. Einsatzkräfte seien bisher noch nicht zu Schaden gekommen, erklärte der Stadtchef. In ganz Wien gingen die Pegelstände der beiden Wienerwaldbäche Liesingbach und Wienfluss sowie der Donau und des Donaukanals derzeit zurück, so der Stadtchef.
Zwar sei die Lage im Bereich der Donau, Ludwig sprach hierfür von einem 30-jährlichen Hochwasser, „stabil“. Jedoch sei die Lage weiterhin beim Liesingbach sowie beim Wienfluss noch „angespannt“. Dort hatte der Pegel gegen 11.00 Uhr seinen Höchststand erreicht, im Bereich des Hütteldorfer Bahnhofs wurde zu diesem Zeitpunkt ein Spitzenwert beim Durchfluss von 400 Kubikmeter pro Sekunde gemessen. „Normal haben wir hier in Trockenphasen einen Kubikmeter pro Sekunde“, resümierte Gerald Loew, Leiter der Wiener Gewässer am Sonntagnachmittag bei dem Medientermin. „Das ist schon ein reißendes Gewässer, was hier durchfließt“, so Loew. Er betonte, dass sich das Hochwasser hier auf ein 100-jährliches Ereignis ausgewachsen habe.
Videos: Hochwasser am Wienfluss
Wegen der Hochwassersituation kam es im Bereich der Westautobahn auch zu Sperren. Konkret wurde die Ein- und Ausfahrt der Westautobahn im Bereich Hütteldorfer Brücke bis Deutschordenstraße gesperrt. Laut Klaus Gesslbauer von Ö3 ist die Ein- und Ausfahrt der Westautobahn wieder offen. Nicht notwendige Fahrten sind jedoch nicht zu empfehlen.
Gegenüber der APA erläuterte Kozuh-Schneeberger, die Auffangbecken für den Wienfluss seien inzwischen voll. Diese befinden sich im Bereich Auhof und sind dazu gedacht, Wassermassen aufzunehmen, die aus dem Umland Richtung Stadt fließen. „Der Wienfluss fließt jetzt unentschärft in die Innenstadt“, schilderte Kozuh-Schneeberger. Der Kai beim Wienfluss auf Höhe Hütteldorf wurde laut Augenzeugen gesperrt. Teilweise überflutet waren auch Bereiche der Südosttangente (A23).
Eindrücke vom Hochwasser in Wien:
Beim Liesingbach werde abgewartet, ob die jüngsten Renaturierungsmaßnahmen der Stadt Wien anschlügen. Wobei Ludwig betonte, dass „erste positive Auswirkungen bereits jetzt sichtbar“ seien. Der Einsatzleiter der Stadt Wien, Wolfgang Müller, sprach von einer „herausfordernden, aber bewältigbaren Lage“.
Entwarnung wollte Ludwig am Sonntag noch nicht geben. „Wir erwarten aber für morgen eine zweite Welle, was Regen betrifft, aber auch was Hochwasser betrifft“, erklärte Ludwig.
Straßen bis zu einem Meter unter Wasser
Zunächst war der Wienfluss in Penzing im Bereich Ludwiggasse über die Ufer getreten und überflutete Häuser. Betroffen waren laut Gerald Schimpf, dem Sprecher der Wiener Berufsfeuerwehr, „eine Handvoll Häuser“, die direkt am Wienfluss liegen. Die darin wohnhaften Menschen wurden evakuiert und seien großteils privat untergekommen. Dass sie bald in ihre Häuser zurückkehren können, sei nicht sehr wahrscheinlich, meinte Schimpf im Gespräch der APA: „Es ist nicht zu erwarten, dass das Wasser zurückgeht.“ Auch weitere Evakuierungen im Stadtgebiet seien nicht ausgeschlossen, meinte Schimpf.
Mehrere Straßen standen im betroffenen Bereich bis zu einem Meter unter Wasser. Bei der S-Bahnstation Wien-Weidlingau waren Feuerwehrtaucher der Stadt Wien positioniert - für den Fall, dass weitere Menschen aus den Häusern entlang des Wienflusses evakuiert werden sollten. In einer großen Wohnhaus-Anlage stand die Tiefgarage unter Wasser.
In drei Wiener Bezirken - nämlich in Teilen von Penzing, Landstraße und der Donaustadt - war am Sonntagvormittag die Stromversorgung unterbrochen. Das teilten die Wiener Netze mit. "Wir arbeiten weiter an der Behebung, um die Versorgung rasch wiederherzustellen", hieß es auf der Website des Energieversorgers.
U-Bahn-Betrieb teilweise eingestellt
Das Szenario hatte auch Folgen auf den öffentlichen Verkehr. Die Wiener Linien mussten ihren U-Bahn-Betrieb erheblich einschränken. Der Wienfluss hatte bereits in der Nacht einen kritischen Pegelstand erreicht. Auch der Wasserstand am Donaukanal stieg massiv an. Die Wiener Linien sahen sich daher zu umfassenden Schutzmaßnahmen an verschiedenen U-Bahn-Linien veranlasst. Die gefährdeten U-Bahn-Trassen wurden mit Dammbalken und Sandsäcken vor dem eindringenden Wasser geschützt. Der U-Bahn-Betrieb musste teilweise eingestellt werden. Zudem mussten die Tunnel-Vortriebsarbeiten an der U2-Baustelle-Pilgramgasse aufgrund des kritischen Pegelstands eingestellt werden. Alle Arbeiter verließen die Baustelle geordnet. "Der Einfluss des Hochwassers auf andere Baustellen der Wiener Linien ist derzeit noch nicht absehbar. Es ist aber mit weiteren Auswirkungen zu rechnen", teilte Andrea Zefferer, Sprecherin der Wiener Linien, der APA mit.
Die U4 verkehrte nur mehr zwischen den Stationen Heiligenstadt und Friedensbrücke, die U6 wurde vorerst zwischen Floridsdorf und Westbahnhof sowie Bahnhof Meidling und Siebenhirten geführt. Die U3 wurde zwischen den Stationen Rochusgasse und Simmering eingestellt. "Weichen Sie nach Möglichkeit bitte großräumig auf andere Linien aus", ersuchten die Wiener Linien Öffi-Nutzende.
Auf der Linie der U4 wurde zwischen den Stationen Hütteldorf und Karlsplatz ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Die Haltestellen sind in der WienMobil App unter "Betriebsinfo" - "geplant" - "U4 Hochwasser" zu finden. Außerdem steht weiter die Straßenbahnlinie D zwischen Heiligenstadt und Karlsplatz zur Verfügung. Als Ersatz für die U6 wurde die Straßenbahnlinie 62 verlängert - sie wird bis auf Weiteres auf der Route Lainz - Bahnhof Meidling und den U Bahn-Stationen Margaretengürtel - Westbahnhof - Burggasse geführt.
Am Vormittag musste auch die U2 zum Teil gesperrt werden. Sie ist seither nur zwischen Seestadt und Taborstraße unterwegs. Die am Donaukanal liegende Station Schottenring sowie die Station Schottentor/Universität werden nicht angefahren. Die Wiener Linien empfehlen, auf die Straßenbahnlinien 1 und 71 auszuweichen.
Überflutungen und Schäden durch Sturmböen
Der Dauerregen und teilweise orkanartiger Sturm forderten die Einsatzkräfte der Wiener Berufsfeuerwehr. Innerhalb der letzten Stunden wurden mehr als 1.100 Einsätze im Wiener Stadtgebiet absolviert. Gefährliche Situationen waren im Bereich des Wienflusses und des Liesingbachs zu beseitigen. Die eine Hälfte der Einsätze waren auf den Niederschlag, die andere auf den Sturm zurückzuführen. Umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste mussten entfernt werden, Wassereintritte in Gebäude, Keller und Tiefgaragen waren zu bekämpfen.
"Insbesondere das Ansteigen der Pegel des Wienflusses bzw. des Liesingbaches sorgen weiterhin für Gefahren in diesem Bereich", teilte Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf mit. Die Feuerwehr rechne auch weiterhin mit einem sehr hohen Einsatzaufkommen und habe zusätzliches Personal einberufen, sagte Schimpf. "Vermeiden Sie heute unnötige Fahrten bzw. Aufenthalte im Freien und halten Sie sich von hochwasserführenden Gewässern fern", appellierte er an die Vernunft der Wiener Bevölkerung.
Ein Sprecher der MA 45 (Wiener Gewässer) bestätigte der APA, dass die Situation beim Wienfluss im stadtäußeren Bereich kritisch ist. Man überwache die Lage und sei in ständigem Kontakt mit dem Krisenstab, um möglicherweise weitere Maßnahmen zu ergreifen, hieß es. Straßensperren werden nicht ausgeschlossen.
Spielraum gibt es laut MA 45 nur mehr wenig: Die Auffangbecken für den Wienfluss, die sich im Bereich Auhof befinden, sind schon fast voll, erläuterte der Sprecher. Sie sind dazu gedacht, Wassermassen aufzunehmen, die aus dem Umland Richtung Stadt fließen.
Situation an der Donau noch unter Kontrolle
Unter Kontrolle ist laut dem Sprecher die Situation an der Donau bzw. an der Neuen Donau - die als Entlastungsgerinne fungiert - und am Donaukanal. An der Neuen Donau seien zwar Bereiche überflutet, dies sei aber bei Hochwasserereignissen so vorgesehen. Auch die Situation am Liesingbach im Süden der Stadt ist laut dem Sprecher vorerst noch nicht problematisch was den Pegelstand anbelangt.
Die Donau erreichte am Sonntag an der für Wien maßgeblichen Messstelle Korneuburg einen Pegelstand von 7,4 Meter. Am Tag davor waren es 5,85 Meter. Ab einem Pegelstand von 5,20 Metern werden bei Korneuburg die Wehrfelder des Einlaufbauwerks überströmt, was den Hochwasserschutz in Wien gewährleistet. Das Donauwasser fließt dann zunächst ohne Zutun in die Neue Donau. Ab einem Pegelstand von sechs Meter werden die Wehrfelder langsam geöffnet und das Hochwasser kontrolliert abgeleitet.
Video: Donaukanal-Pegel steigt weiter
Radwege und Unterführungen gesperrt
Im Stadtbereich wurden am Sonntag in Wien Radwege und einige Unterführungen aufgrund lokaler Hochwasserbildung gesperrt. In Döbling musste die Donaukanalstraße stadtauswärts im 19. Bezirk ab der Höhe Döblinger Steg gesperrt werden. Der Verkehr wird über die Gürtelauffahrt abgeleitet. Die Polizei Wien riet dazu, Strecken am Donaukanal oder Donau zu meiden und weiträumig auszuweichen
.Der aktuelle Pegelstand der Donau in Korneuburg ist übrigens nicht mehr weit von der Marke entfernt, die beim Rekordhochwasser 2013 erreicht wurde. In der Nacht auf den 6. Juni 2013 wurde bei einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser ein Pegelhöchstwert von 8,09 Metern verzeichnet. Das war die höchste Marke seit Errichtung des Donau-Hochwasserschutzes 1988.