Vor Kurzem ist die Entscheidung des Berufungsgerichts gefallen: Die fristlose Entlassung von Jochen Rothleitner (53) aus der Spanischen Hofreitschule wegen sexueller Belästigungen 2022 war nicht rechtens. Die Hofreitschule muss dem Bereiter Gehalt samt Zinsen nachzahlen – und hat außerordentliche Revision eingelegt.

Was ist damals passiert? Rothleitner war beim Lipizzanergestüt Piber unter anderem als Ausbildner tätig. Einem weiblichen Lehrling soll er vor zwei weiteren Mädchen gesagt haben, dass ihr jeder Sattel passe, da sie „keinen Arsch und Titten“ und die „perfekte Reiterfigur“ hätte. Alle drei Lehrlinge waren 15 oder 16 Jahre alt. Das Gericht sieht die Äußerungen als „unnötig, deplatziert, derb, eines Bereiters der Spanischen Hofreitschule unwürdig, anstößig und demütigend“. Die Mädchen wandten sich an eine Vertrauensperson, der Vorfall gelangte zur Geschäftsführung.

Nur: Sonja Klima stand kurz vor dem Urlaub und Erwin Klissenbauer wollte trotz Hinweises eines Prokuristen auf die Dringlichkeit mit der Entscheidung auf ihre Rückkehr warten. Zu vernehmen ist, dass man irrtümlich angenommen hatte, dass Rothleitner verbeamtet und damit nicht so leicht zu suspendieren gewesen sei. Erst nach Klimas Rückkehr wurde die fristlose Entlassung ausgesprochen, laut Hofreitschule sind 14 Tage vergangen, wobei Rothleitner an vier Tagen gearbeitet habe, und zwar in Wien.

Entlassung hätte früher erfolgen müssen

Für das Gericht ist aber die Verspätung im erst- und zweitinstanzlichen Urteil der springende Punkt. Nach dem Unverzüglichkeitsgrundsatz hätte die Entlassung früher erfolgen müssen. Obwohl das Gericht weitere Aussagen gegenüber minderjährigen weiblichen Lehrlingen als sexuelle Belästigungen als Pflichtverletzungen bestätigte – innerhalb der Hofreitschule ist die Rede davon, dass kaum eine Frau von Rothleitner nicht verbal belästigt worden sei –, das Vorliegen eines Entlassungsgrundes wurde dennoch verneint.

Laut dem Richter seien die sexuell konnotierten Aussagen des Klägers weder von den betroffenen Frauen noch vom Dienstgeber erfunden worden und seien die Vorwürfe auch nicht vorgeschoben worden, um die wahren Motive der Entlassung zu verschleiern. „Es ist nachvollziehbar, dass die beklagte Partei (Anmerkung: Spanische Hofreitschule), von welcher immer wieder kritisch in den Medien berichtet wird, auf die Vorwürfe sensibel reagiert, allerdings hat sie nach Ansicht des Gerichts – siehe rechtliche Beurteilung – übervorsichtig, ängstlich (was würden die Medien schreiben, wenn wir nicht entlassen?), überschießend und zu spät reagiert“, steht außerdem in der Urteilsbegründung.

Rothleitner war 35 Jahre lang bei der Hofreitschule. Laut seinem Anwalt möchte er dort weiter arbeiten. „Dies auch und vor allem zugunsten der Jungen in der Reitbahn, denen die erfahrenen Mitglieder ohnehin viel zu oft vorzeitig abhandengekommen sind“, sagt Dominik Konlechner in Anspielung auf mehrere, teils unfreiwillige, Abgänge von Oberbereitern.

Der heutige Hofreitschulen-Chef Alfred Hudler will den Fall ausjudizieren: „Wir können am Faktum nicht vorbei, dass das Gericht die sexuellen Belästigungen bestätigt hat. Die Spanische Hofreitschule hat Außenwirkung. Wenn wir das jetzt lassen: Was macht das mit anderen Mitarbeiterinnen und überhaupt Frauen?“ Scheitert man mit der Revision, müsse man überlegen. Die teils öffentlich subventionierte Hofreitschule könnte Rothleitner auch bis zur Pension vom Dienst freistellen, das würde aber wiederum rund 110.000 Euro pro Jahr kosten. „Eine Dienstfreistellung meines Mandanten bis zu seiner Pension hielte ich für sehr problematisch, es handelt sich ja um ein Unternehmen im Eigentum der Republik“, so Anwalt Konlechner.