Bergführer Paul Sodamin konnte es kaum glauben: Als er letzte Woche mit einer Gruppe dabei war, den Großglockner zu erklimmen, entdeckte er auf einer Höhe von 3550 Metern im Eisleitl einen Mann in Straßenschuhen. Ohne Steigeisen. Ohne Eispickel. „Ich hab mich richtig geschreckt und mich gefragt: Hat sich der verlaufen? Da stimmt etwas nicht“, erzählt der erfahrene Bergkenner. „Der Mann ist auf allen Vieren gekrabbelt und hat sogar schon Steine auf unsere Gruppe losgetreten.“
Sodamin habe den Mann – einen Niederösterreicher, um die 50 Jahre alt, schätzt der Bergführer – angesprochen und ihm zugeredet, dass er umkehren solle. „Er hätte es nie auf den Berg geschafft, er wäre womöglich abgestürzt“, meint Sodamin. Wenige Tage zuvor war der Bergführer noch Ersthelfer bei einem Absturz eines erfahrenen Bergsteigers im Eisleitl, der Mann war mehr als 200 Meter weit abgestürzt.
Sodamin konnte den Mann in den Straßenschuhen schließlich zum Umdrehen bewegen. Ein Video von dem Vorfall hat er auf Facebook gepostet. „Ich wollte aufzeigen, dass das ein Blödsinn ist.“
Leichtsinn am Berg
Der Leichtsinn am Berg nehme „auf jeden Fall“ immer mehr zu, sagt Sodamin. „Die Leute denken zu wenig nach, gehen bei schlechtem Wetter und schlecht ausgerüstet auf den Berg, da hilft alles Warnen nichts.“ Gerade seit der Pandemie strömen mehr und mehr Menschen auf und in die Berge, deshalb gebe es auch mehr Unfälle, Verletzte und Tote. Zuletzt hieß es zum Beispiel von der Bergrettung Graz, dass die Zahl der Einsätze enorm gestiegen ist. Mehr dazu hier.
Sodamin selbst hat schon Hunderte Gipfel erklommen und „viel gesehen“, etwa auch einen Vater mit Kind im vereisten Stahlseil am Dachstein. „Das Kind hat geweint und als ich Hilfe anbieten wollte, hat der Mann gemeint, die Lage geht mich nichts an.“ Schon öfter sei es Sodamin so gegangen, dass seine Tipps und Hilfsangebote eher negativ ankommen. „Ich glaube, viele Menschen gehen einfach auf den Berg und denken sich, im Notfall holt mich eh der Hubschrauber oder die Bergrettung.“