Bald muss sich Christina Köstner-Pemsel von einigen „ihrer“ Schätze verabschieden. Von der Dorotheerbibel aus dem 14. Jahrhundert mit den kunstvoll verschnörkelten Initialen und den Golddetails. Von den Buchmalereien. Von den Inkunabeln mit edlem Ledereinband. Von den japanischen Handschriften aus dem 19. Jahrhundert. Und von ihrem Lieblingsbuch, eines mit Stoffeinband aus dem 16. Jahrhundert. „Irrsinnig schön. Man spürt die Geschichte richtig.“ Die Schätze der Bibliothekarin siedeln nämlich. Ganz genau 2,7 Millionen von ihnen. Von der Hauptbibliothek der Uni Wien in der Stadt, der ältesten Bibliothek Österreichs mit insgesamt fast acht Millionen Büchern, in einen modernen Bücherspeicher auf den Siemensgründen in Wien-Floridsdorf.

Mit Herbst soll es soweit sein. „Es läuft bis jetzt alles nach Plan“, sagt Christina Köstner-Pemsel. Sie arbeitet seit 18 Jahren an der Unibibliothek Wien und ist für die alten und wertvollen Schätze und für die Kommunikation zuständig. Früher war sie Buchhändlerin.

Christina Köstner-Pemsel
Christina Köstner-Pemsel © Zsolt Marton

Steirischer Entwurf

Im neuen Bau soll Platz für 130.000 Laufmeter Bücher sein, neben Werken der Uni Wien werden auch welche von der Technischen Uni (TU) Wien, der Uni für angewandte Kunst Wien, der Akademie der bildenden Künste Wien sowie der Geologischen Bundesanstalt untergebracht.

Tatsächlich wird seit einem Jahr gebaut. Den EU-weiten Architekturwettbewerb hat das steirische Büro Pittino & Ortner gewonnen. Dort wurde etwa auch das neue Restaurantgebäude am Thalersee umgesetzt. Das Gebäude soll „Landmark“ sein, „von außen ist zu erkennen, was drin ist“, sagt Klaus Ortner. So werde die Hülle des fünfstöckigen „Lagers des Wissens“ wie ein Bücherregal aussehen. Der Holzhybridbau mit Photovoltaikanlage soll außerdem klimaneutral sein. Errichtet wird das 46 Millionen Euro teure Magazin von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).

Studierende können sich alle Bücher nach wie vor ausleihen, nur kommen die Werke künftig per Shuttleservice. Ein Elektrofahrzeug pendelt zwischen den einzelnen Uni-Standorten und dem Magazin hin und her.

Veraltete Technik

Den neuen Bücherspeicher hat es gebraucht, findet Köstner-Pemsel. Ihre Schätze waren bisher in den sogenannten Büchertürmen, verteilt auf elf Stockwerken, untergebracht. 1884 wurden die Räumlichkeiten eröffnet, seit 1960 wurde nicht mehr grundlegend renoviert. „Wir sind mit der Technik auf dem Stand von vor mehr als 60 Jahren. Wir haben sehr viel Energie gebraucht, damit die Bücher gut gekühlt werden konnten. Die Uni musste etwas tun.“ Jetzt kommen die teils historischen Werke in „perfektes Klima“. Sicher sollen sie auch sein: „Wenn zum Beispiel ein Brand ausbricht, dann wird mit Gas gelöscht, ohne, dass die Werke beschädigt werden.“

Die umgezogenen Bücher sollen Platz an der Uni schaffen: Bis zum Jahr 2027 wird saniert. Die beiden sogenannten Büchertürme. Durch die Auslagerung der dortigen Bestände entstehen doppelt so viele Lern- und Studierplätze. Außerdem ein eigener Lesesaal für den Bereich der alten Bücher. Für Köstner-Pemsel ist und bleibt die Unibibliothek ein Ort „wo so viel Wissen vermittelt wird“.

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