Die Thujen-Hecke vor dem Landeskrankenhaus Bregenz ist neu. Über der Hecke sind 15 Schilder zu sehen. „Danke, dass du dich für mich entschieden hast“, steht da auf einem Schild mit einem Babyfoto. Auf einem anderen ist ein Kind in der Gebärmutter abgebildet. „Mensch von Anfang an.“ Die Hecke muss erst wachsen, noch sind dahinter schemenhaft rund 20 Menschen zu sehen. Vom Krankenhausvorplatz hört man sie murmeln. „Heilige Maria Mutter Gottes“. Sie beten. Dreimal pro Woche versammeln sich vor dem Spital Abtreibungsgegner, um gegen Schwangerschaftsabbrüche im Krankenhaus zu demonstrieren - mit einem einstündigen Gebet. Sie wollen das so lange tun, bis Abtreibungen im öffentlichen Krankenhaus nicht mehr möglich sind. Oder bis es ihnen verboten wird. Die Krankenhausbetreiber fordern eine Bannmeile.
Viele Jahre lang diskutierte die Vorarlberger Landespolitik darüber, wie den Frauen im Land eine Möglichkeit zum Abbruch geboten werden kann. Bis zum Herbst 2023 galt innerhalb der Landeshauptmannpartei ÖVP die Devise: nicht in öffentlichen Spitälern. Als der bisher einzige Privatarzt, der die Leistung anbot, seine Pension ankündigte, nahm der Druck zu. Die zuständige Landesrätin, ebenfalls ÖVP, präferierte bereits die Krankenhäuser als neue Leistungserbringer. Schließlich lenkte auch der Landeshauptmann ein. Seit November können Schwangerschaftsabbrüche im LKH Bregenz durchgeführt werden. Zwar in einer Privatpraxis, aber innerhalb des Krankenhauses. Zum Ärger der Abtreibungsgegner.
Wer hinter der Gruppe steckt
Sie wollen nicht Abtreibungsgegner genannt werden, erzählt Christoph Alton. Sie seien für das Leben. Alton ist der Kopf und das Gesicht der Demonstranten. Er ist Öffentlichkeitsarbeit gewohnt. Seit mehr als 20 Jahren organisiert er den Marsch des Lebens, eine regelmäßige Demonstration der Abtreibungsgegner. Er sitzt in der Stadt Feldkirch in der Stadtvertretung und tritt am 13. Oktober mit seiner Liste „WIR“ bei der Vorarlberger Landtagswahl an. Seine Gruppe habe als erste Kleinpartei die Unterschriften abgegeben, berichtet Alton stolz. Auch sein Engagement gegen Schwangerschaftsabbrüche habe dazu geführt. „Das ist sicher ein Aspekt.“
Er und seine Gruppe sind dafür verantwortlich, dass die Vorarlberger Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) Ende Mai die Thujen-Hecke aufgestellt hat. Der Weg dahinter ist öffentlich, auf dem Grundstück der Krankenhäuser dürfen die selbst ernannten Lebensschützer nicht demonstrieren. Mit der Hecke sollen sie aus dem Blickfeld vor allem jener Frauen verschwinden, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Die Demonstranten reagierten und befestigten ihre Schilder auf Stangen, um sie über die Hecke halten zu können.
Bannmeile gefordert
Die Krankenhäuser fordern deshalb eine Bannmeile, wie sie während Landtagssitzungen gilt. Dort darf innerhalb von 300 Metern keine Demonstration stattfinden. Die Krankenhäuser hätten doppelte Verantwortung, argumentiert eine KHBG-Sprecherin. „Für die sichere Versorgung von Frauen in einer Ausnahmesituation und für den Schutz der Mitarbeitenden.“ Die Hecke als Schutz sei bereits überwunden worden. „Weitere Schutzmaßnahmen auf Bundesebene wären hier also durchaus effektiv und wünschenswert.“ Für eine Bannmeile bräuchte es einen Beschluss im Nationalrat. Wie ein Rundruf der VN kürzlich ergab, wäre eine Mehrheit fraglich.
Clarina Fussenegger ist heute auch dabei. Die 33-jährige Ärztin aus Dornbirn steht mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn im Arm in der Gruppe und betet mit. Sie möchte ein Bewusstsein schaffen, dass bei einer Abtreibung immer ein Mensch umgebracht werde. „Egal ob gewollt oder ungewollt, auch nach einer Vergewaltigung. Es ist immer die Tötung eines Menschen. Das Kind kann ja nichts dafür.“ Neben ihr steht die Bludenzerin Michaela Rhomberg. Die 62-jährige pensionierte Ärztin sieht ein Landeskrankenhaus nicht als richtigen Ort für einen Schwangerschaftsabbruch, schließlich sei das keine Leistung des Gesundheitssystems. „Abbrüche im LKH sind unnötig.“
Patienten verstört
Bisher sind den Krankenhäusern keine direkten Belästigungen von Patientinnen und Mitarbeitenden bekannt, erläutert die KHBG-Sprecherin. Aber die Proteste würden nicht nur die Patientinnen stören, auch etwa Kinder in den Stationen. „Nicht nur auf Frauen, die aufgrund eines Schwangerschaftsabbruches das Krankenhaus aufsuchen, sondern auch auf jene, die wegen einer schwierigen Diagnose oder beispielsweise wegen einer Fehlgeburt in die gynäkologische Abteilung kommen müssen, wirken sie verstörend.“ Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird Supervision angeboten, um damit besser klarzukommen. Außerdem ist eine Mailadresse eingerichtet worden, an die sich die Abtreibungsgegner wenden können, statt den Mitarbeitern direkt zu schreiben.
Noch ein Gebet, dann löst sich die Gruppe aus Männern, Frauen, Jung und Alt auf. Kommende Woche kommen sie wieder. Und wieder. Auch wenn sie hinter der Hecke gar nicht mehr zu sehen sind, werden sie kommen. Solange sie dürfen.