Baggypants oder Jogginghosen, weites T-Shirt, Cap, Bauchtaschen (gefälschter) Luxusmarken, überdimensionierte Halskette - auch Königskette genannt - und schmierige Sprüche auf den Lippen. Diese Stereotypen beschreiben, was derzeit auf Tiktok viral geht: Talahons. Tala...was? So bezeichnen sich junge Männer, oft mit Migrationshintergrund, auf Tiktok und präsentieren sich mit patriarchalem Macho-Gehabe und Gangsterposen.

Woher der Begriff stammt, darüber gibt es unterschiedliche Leseweisen. Manche sagen, es leite sich vom arabischen „taeal huna“ ab, was so viel wie „komm her“ bedeutet. Der aktuelle Trend dürfte aber auf den Song „Ta3al Lahon“ des deutschen Rappers Hassan zurückgehen. Die meisten Talahon-Tiktok-Videos sind mit diesem Lied hinterlegt. Phrasen wie „Ta3al lahon, ich geb‘ dir ein‘n Stich, bin der Patron“ oder „Fäusten härter als Beton“ zeigen, wie sich die Jugendlichen inszenieren wollen: als harte Jungs von der Straße, die keinem Fight aus dem Weg gehen.

Auch wenn sich vor allem Jugendliche mit Migrationsbiografie aus dem arabischen Raum als Talahons bezeichnen, spielt die ethnische und religiöse Zugehörigkeit eine untergeordnete Rolle. Das Entscheidende sind die Haltung, die Coolness, der Lifestyle und die Sprache.

Das bestätigt auch Mevlida Mešanović vom Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz. Sie sieht die Talahons als Schrei der Jugendlichen nach Aufmerksamkeit. „Man kann das als Hilferuf verstehen. In der Gesamtgesellschaft wie auch in der Schule wird Kindern und Jugendlichen mit Migrationsbiografie immer wieder auch subtil vermitelt, dass sie nicht dazugehören, dass sie kein Teil der österreichischen Gesellschaft sind. Mit dem Zusammenschluss zu Gruppierungen wie den ‚Talahons‘ schaffen sie sich eine eigene Zugehörigkeit, einen safe space“, erklärt Mešanović.

Mevlida Mešanović vom Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz
Mevlida Mešanović vom Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz © Privat

Dabei setzen die Jugendlichen bewusst darauf, optisch, im Verhalten und auch in der Sprache zu provozieren, um sich von der Gesellschaft abzuheben, die sie scheinbar ablehnt. „Die Jugendlichen halten der österreichischen bzw. der deutschen Gesellschaft, wo der Talahon-Trend herkommt, gewissermaßen einen Spiegel vor“, sagt Mešanović. Wichtig ist der Wissenschaftlerin, dass die Talahons keine religiöse Strömung, sondern ein jugendkulturelles Phänomen sind. Eine Gefahr sieht sie dabei von den Jugendlichen nicht ausgehen. Für Mešanović ist es daher sehr wichtig, „durch das Bildungssystem die Schulakteure, aber auch Schülerinnen und Schüler für das Zusammenleben und ein gutes Miteinander zu sensibilisieren, indem kulturelle und religiöse Vielfalt als Bereicherung betrachtet werden.“

Für Manfred Zentner, Jugend- und Migrationsforscher am Department für Migration und Globalisierung der Universität für Weiterbildung Krems., sind die Talahons indes kein neues Phänomen. „In der Jugendforschung beobachten wir schon länger Gruppen junger Männer, die sich verstärkt mit Statussymbolen ausstatten und gefährlich aussehen.“ Die Bezeichnung Talahon gebe dieser Strömung nun ein Label, ist aber aus Zentners Sicht eine „Modeerscheinung“.

Mit Kampfsport „verteidigungsfähig“

Manfred Zentner, Jugend- und Migrationsforscher am Department für Migration und Globalisierung der Universität für Weiterbildung Krems
Manfred Zentner, Jugend- und Migrationsforscher am Department für Migration und Globalisierung der Universität für Weiterbildung Krems © Privat

Durch die Betonung von Kampfkunst wollen sich die Jugendlichen als „verteidigungsfähig“ darstellen - gegen andere Jugendliche, sowie um ihren Platz in der öffentlichen Wahrnehmung zu verteidigen. Gemein ist den Jugendlichen, die sich selbst als Talahon bezeichnen oder so bezeichnet werden, dass sie sich von der Gesellschaft abgehängt fühlen, bestätigt auch Zentner. Die Botschaft, die sie mit ihrem übertriebenen Auftreten vermitteln wollen: „Wir sind hier, nehmt uns so wahr wie wir sind. Das funktioniert natürlich nicht mit Drohgebärden und frauenfeindlicher Sprache, weil das die österreichische Gesellschaft ablehnt“, ergänzt Zentner.

Um dieses Konfliktfeld zu entschärfen, müssen laut Zentner Jugendliche mit Migrationsbiografie besser im Bildungssystem integriert werden. „Zudem müssen wir ihnen als Gesellschaft außerschulisch andere Formen der Identitätsbildung anbieten, das können Schulen und Lehrer nicht leisten.“ Auch verstärkte Sozialarbeit, die migrantische Jugendliche in den Mittelpunkt stellt, hält Zentner für sinnvoll. Dies müsse jedoch auch politisch gewollt sein.