Sars, Vogelgrippe, FSME, Salmonellen oder Affenpocken: Das Risiko an Zoonosen zu erkranken – also Krankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragbar sind – wird in Österreich immer größer. Das zeigt aktuell eine interaktive Karte, die Forschende des Complexity Science Hub (CSH) und der Vetmeduni Wien erstellt haben. Sie ist für jede und jeden zugänglich und zeigt zoonotische Erreger in Österreich seit dem Jahr 1975. Zu sehen ist, welche Erreger sich wie oft auf wen übertragen. Das Netzwerk ist komplex: So kann ein Tier einen Menschen direkt anstecken oder über Lebensmittel und die Umwelt (eine Sandkiste etwa) oder Tiere stecken zum Beispiel zuerst andere Tiere an.
Die Übertragungsketten spielen eine große Rolle: Denn „wenn es um Zoonosen geht, ist es oft schwierig, zu erkennen, wo die Übertragung stattgefunden hat“, erklärt Amélie Desvars-Larrive vom Complexity Science Hub und der Vetmeduni Wien. Sie hat die Daten zusammengetragen, Datenvisualisierungsexpertin Liuhuaying Yang vom CHS hat sie sichtbar gemacht.
Die Karte zeigt auch: In den letzten 20 Jahren sind hierzulande acht neue Erreger aufgetaucht, darunter das West-Nil-Virus und das Usutu-Virus. Beide Erreger kommen hauptsächlich in Vögeln vor, können aber durch Mückenstiche auf den Menschen übertragen werden und wurden beide auch bereits in Pferden nachgewiesen.
„Wir waren überrascht von der hohen Zahl“, sagt Desvars-Larrive. Sars-CoV-2 kommt auf der Karte nicht vor, weil es in bisher zu wenigen Publikationen als Zoonose angeführt wird. „Aber mit Sars haben wir eigentlich neun neue Erreger, von denen wir wissen. Es sind wahrscheinlich noch mehr“, so die Expertin. Generell ist die steigende Zahl von Zoonosen ein globaler Trend: Menschen und Tiere reisen mehr und sorgen so für mehr Übertragungen und der Klimawandel veranlasst immer mehr Überträger wie Zecken und Gelsen dazu, sich in Österreich wohlzufühlen und sich zu vermehren. Man geht davon aus, dass sich 60 Prozent aller Krankheiten, die Menschen bekommen, ursprünglich in Tieren fanden.
Erhöhtes Risiko zur Übertragung von Rind auf Mensch
Ein erhöhtes Übertragungsrisiko besteht laut Karte zwischen Mensch und Rind und Mensch und Lebensmittel, sagt Desvars-Larrive. Demnach spielen Kühe, Hühner, Schafe und manche Fleischprodukte eine größere Rolle in dem System, da sie gleich mehrere Krankheitsquellen tragen und übertragen können. Die meisten Zoonoseerreger „teilen“ sich sozusagen der Mensch und seine in Österreich in großer Zahl vorhandenen Haus- und Nutztiere.
Ganz konkret: Von 197 verschiedenen Zoonoseerregern, die im Zeitraum zwischen 1975 und 2022 dokumentiert wurden, konnten 187 in insgesamt 155 verschiedenen Wirbeltierwirten nachgewiesen werden. Elf solche Erreger kamen in umweltbezogenen Räumen wie Sandkisten vor, 15 in Lebensmitteln (etwa Bakterien wie Listeria, Escherichia und Salmonella)– mehr als die Hälfte davon in Fleischprodukten. Außerdem wurden 24 Krankheitserreger in Überträgern, wie Zecken nachgewiesen. „Mit 16 verschiedenen übertragenen Erregern übertragen Zecken mehr Krankheiten als jeder andere Überträger“, erklärt Desvars-Larrive.
Mehr Daten benötigt
Desvars-Larrive gibt zu bedenken: „Natürlich kommen wir alle mit verschiedenen Krankheitserregern in Kontakt, wobei aber nur wenige tatsächlich zu einer Erkrankung führen und wir uns deshalb nicht zu große Sorgen machen sollten.“ Dennoch sei es gut, ein Bewusstsein zu entwickeln – zum Beispiel dafür, wie wichtig es ist, ein Messer zwischen verschiedenen Lebensmitteln zu reinigen, um eine Kreuzkontamination zu vermeiden. „Oder wenn man von einer Zecke gebissen wurde, sollte man in den nächsten Wochen wachsam sein, denn Zecken übertragen eine ganze Reihe von Krankheiten auf Mensch und Tier, die oft schwer zu diagnostizieren sind, da die Symptome erst Wochen später auftreten können“, so Desvars-Larrive.
Mit der neuen Karte will man aufklären. Wenn man außerdem weiß, welche Zoonosen-Netzwerke einflussreicher sind, könne das in Überwachungsprogrammen hilfreich sein, sagt Desvars-Larrive. Die Daten zeigen allerdings nur die diagnostizierten Fälle, es gäbe also noch Luft nach oben.
Desvars-Larrive plädiert für mehr Monitoring und auch dafür, die Gesundheit mit Menschen mehr mit jenen von Tieren und Umwelt zu verknüpfen. „Es gibt zahlreiche Anstrengungen in dieser Richtung, vor allem seit der SARS-CoV-2-Pandemie, jedoch bestehen nach wie vor erhebliche Hürden, wie rechtliche Fragen im Bereich des Datenaustauschs.“ Desvars-Larrive und ihr Team haben zu dem Thema auch im Journal „Nature Communications“ eine Studie veröffentlicht.