Neuerliche Gewitter haben ab Freitagnachmittag von Vorarlberg bis ins niederösterreichische Mostviertel und in der Steiermark und Kärnten die Einsatzkräfte auf Trab gehalten und Schäden angerichtet. In Vorarlberg war vor allem das Rheintal betroffen. In Kärnten und der Steiermark standen bis zu 1.600 Feuerwehrleute im Einsatz. Die GKB in der Weststeiermark und die ÖBB-Südbahn zwischen dem steirischen Unzmarkt und dem Kärntner Friesach waren unterbrochen.
Die Unwetter in der Steiermark und in Kärnten
Blitzreichster Tag des Jahres
Mit fast 190.000 Blitzentladungen war der Freitag der blitzreichste Tag des bisherigen Jahres, teilte der Wetterdienst UBIMET am Samstag mit. Im steirischen Zeltweg seien orkanartige Sturmböen mit bis zu 111 km/h verzeichnet worden, hieß es. 97 km/h waren es in St. Radegund bei Graz.
Im Rheintal fielen die Niederschläge so heftig aus, dass Bäume knickten, Dächer abgedeckt wurden und viele Straßen wegen verstopfter Abflüsse unter Wasser standen. Innerhalb von wenigen Minuten gingen vielerorts über 30 Liter Regen pro Quadratmeter nieder. Bei der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle war von einem „Großereignis“ die Rede. Hagelkörner färbten Straßen und Wiesen weiß, in weiterer Folge - bei anhaltendem Regen - gingen Garagen, Keller, Unterführungen und Straßen im Wasser unter.
Schäden in der Landwirtschaft beträchtlich
Wassereintritt meldete auch das Kunsthaus Bregenz. Betroffen waren dort das erste und zweite Untergeschoss. Die Höhe des Sachschadens war vorerst unklar. Das Kunsthaus bleibt am Wochenende geschlossen. Am stärksten betroffen waren der Großraum Bregenz, Lustenau und das Rheindelta. Aber auch im Süden des Landes, etwa in Feldkirch, waren die Feuerwehren beschäftigt. Über Verletzte war nichts bekannt. So schnell wie das heftige Unwetter gekommen war, sei es wieder vorbei gewesen, erklärte ein Sprecher der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle Samstagfrüh gegenüber der APA. Die Nacht sei ruhig verlaufen, die Einsätze habe man „an einer Hand abzählen“ können. Die Einsatzkräfte hätten vor allem „Klassiker“ wie das Auspumpen von Kellern, das Verhindern dass Wasser von diesen in die Wohnbereiche dringt, Aufarbeiten von Sturmschäden sowie Sturmsicherungsarbeiten auf Trab gehalten, hieß es.
In vielen Gemeinden sorgten umgestürzte Bäume für Behinderungen oder Sperren. In Lustenau beschädigte ein durch den Sturm umgeworfener Baum ein Klubheim eines Motorradklubs, teilte die Polizei am Samstag mit. Es befanden sich keine Personen an Ort und Stelle. Ebenfalls in der Marktgemeinde im Bezirk Dornbirn stürzte ein Baum auf einen Pkw. Die Fahrzeuginsassen kamen mit einem Schock davon, wurden aber zur Sicherheit bzw. weiteren Abklärung mit der Rettung in das Krankenhaus Dornbirn gebracht.
Die Schäden in der Landwirtschaft aufgrund des Unwetters dürften jedenfalls beträchtlich sein. Man rechne mit einem Gesamtschaden im „Ländle“ in der Höhe von rund 1,2 Millionen Euro, teilte die Österreichische Hagelversicherung in einer Aussendung am Samstag mit. In den Bezirken Dornbirn, Bregenz und Feldkirch sei eine Agrarfläche - vor allem Mais, Kartoffeln und Grünland - von mehr als 5.000 Hektar stellenweise „regelrecht verwüstet“ worden.
Indes wurde am Rhein am Samstagvormittag eine Abflussspitze von rund 1.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde erwartet. Die Schutzdämme des Rheins sind auf 3.000 Kubikmeter ausgerichtet, das entspricht einem 100-jährlichen Hochwasserereignis. Dennoch wurden die Vorländer auf österreichischer Seite von Lustenau bis zur Rheinmündung gesperrt. „Die Bevölkerung wird gebeten, sich nicht in der Nähe des Rheins aufzuhalten, um mögliche Arbeiten der Einsatzkräfte nicht zu behindern. Auch aus Gründen der persönlichen Sicherheit sollen Rheindämme, Vorland und insbesondere die Innenwuhre gemieden werden“, hieß es.
In Tirol waren Samstagvormittag die nach Unwettern mit Starkregen am Donnerstagabend von Muren verlegten und daher gesperrten Straßen teilweise wieder für den Verkehr frei gegeben. So wurde etwa die Reschenstraße (B180) zwischen Pfunds und Ried im Oberinntal wieder in beide Richtungen geöffnet, teilte das Land Samstagfrüh mit. Auch die Villgratentalstraße (L273) in Osttirol wurde inzwischen wieder in beide Richtungen freigegeben, die Gemeinden Inner- und Außervillgraten waren somit wieder erreichbar. Probleme gab es laut der Online-Ausgabe der „Tiroler Tageszeitung“ auf der Brennerstraße (B182), die an zwei Stellen gesperrt wurde - die Sperre bei Gries konnte aber kurz vor Samstagmittag wieder aufgehoben werden, jene bei Steinach behielt vorerst ihre Gültigkeit. Auch die Tiroler Straße (B171) zwischen Schönwies und Zams war Samstagfrüh zunächst in beide Richtungen nicht befahrbar. Laut Polizei bestand eine erhöhte Hangrutschgefahr. Die Sperre konnte um kurz nach 9.00 Uhr wieder aufgehoben werden. Weiter gesperrt blieb indes noch die Oberinntalstraße (L65).
Mehrere Millionen Euro Schaden in Oberösterreich
Nach den Unwettern der letzten Tage belaufen sich die Schäden in der oberösterreichischen Landwirtschaft auf mehrere Millionen Euro. Das teilte die Österreichische Hagelversicherung mit Verweis auf „teilweise golfballgroße Hagelgeschosse“ mit. Die oberösterreichischen Feuerwehren fuhren am Freitag rund 130 Einsätze. Beteiligt waren laut Auskunft an die APA 675 Einsatzkräfte von 50 Ortsverbänden.
Am Donnerstag und Freitag gingen besonders in den Bezirken Kirchdorf und Steyr schwere Unwetter nieder. „Nicht nur die Futtergrundlage für Rinder und Schafe wurde auf einer Fläche von rund 2.500 Hektar teilweise massiv zerstört“, konstatierte die Österreichische Hagelversicherung, „sondern auch Rundballen und Fahrsilofolien wurden geschädigt“. Ursache seien „Hagel, Sturm und Starkregen“.
Sachverständige stellten in Oberösterreich allein am Freitag einen landwirtschaftlichen Schaden von 1,1 Millionen Euro fest. Über die gesamte zweite Wochenhälfte sollen es rund 2,5 Millionen gewesen sein. Zu zahlreichen zerstörten Dächern und vollgelaufenen Kellern wurden unterdessen die oberösterreichischen Feuerwehren gerufen. Auf APA-Nachfrage gab die Landeszentrale bekannt, dass die meisten Einsätze auf die Bezirke Braunau, Schärding, Grieskirchen und Rohrbach entfielen.
360 Einsätze in Niederösterreich
In Niederösterreich sorgten die Unwetter für 360 Einsätze. Besonders betroffen waren die Bezirke Melk, Amstetten und Scheibbs, sagte Klaus Stebal vom Landesfeuerwehrkommando am Samstag zur APA. Die Front war ab Freitagnachmittag von Westen nach Osten gezogen und hatte sich im Verlauf abgeschwächt. 200 Feuerwehren mit einer „Hundertschaft an Einsatzkräften“ rückten aus, teilte der Sprecher mit. In einigen Bezirken waren am Samstag noch Aufräumarbeiten im Gange.
In den Bezirken Scheibbs und Amstetten wurden einige Dächer durch Hagel zerstört und mussten mit Planen abgedeckt werden. Orkanartiger Sturm und enorme Niederschlagsmengen sorgten auch im Waldviertel für Feuerwehreinsätze. Der Bezirk Waidhofen an der Thaya war nach einem Hagelunwetter Ende Juni erneut betroffen. Alarmiert wurden die Helfer zu Auspumparbeiten, zur Beseitigung von Sturmschäden, Straßenreinigung und zum Sichern von Bächen, sagte Stebal. Betroffen war auch die Landwirtschaft. In den Bezirken Amstetten, Gmünd, Melk, Scheibbs, St. Pölten, Waidhofen an der Thaya und in Waidhofen an der Ybbs entstanden laut Hagelversicherung Schäden in der Höhe von 900.000 Euro bei Ackerkulturen und Grünland, berichtete der ORF.
Auswirkungen auf den Flugverkehr
Die heftigen Gewitter hatten am Freitagabend auch Auswirkungen auf den Flugverkehr. Am Flughafen Wien Schwechat mussten etwa 40 der 700 Flüge am Freitag abgesagt werden, bestätigte Sprecher Peter Kleemann auf APA-Anfrage einen ORF-Bericht. Dies habe am Abend zu einem erhöhten Passagieraufkommen an den Schaltern geführt. Rund 50 Personen mussten am Flughafen übernachten, konnten ihre Reise inzwischen aber fortsetzen. Der Flugbetrieb lief am Samstag wieder normal, so Kleemann.
In der Steiermark standen seit Donnerstagnachmittag knapp 190 Feuerwehren mit rund 1.500 Feuerwehrmännern und -frauen bei rund 700 Alarmierungen im Einsatz, teilte der Landesfeuerwehrverband am Samstag mit. Für die weststeirischen Gemeinden Edelschrott, Maria Lankowitz, Krottendorf-Gaisfeld, St. Martin am Wöllmißberg und die Stadtgemeinde Voitsberg wurde von der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg der Katastrophenfall festgestellt.
Eine neuerliche Unwetterfront, die allerdings relativ rasch abzog, sorgte am Freitagnachmittag wieder für massive Überflutungen in den Bereichen Voitsberg, Knittelfeld und Judenburg, punktuell auch in den Bereichen Murau und Mürzzuschlag. Der stürmische Wind entwurzelte und knickte Bäume: „Baum auf Pkw, Baum auf Dach, Baum auf Stromleitung, Dach beschädigt, lose Dachziegel“ - so lauteten die Meldungen, die im Sekundentakt in der Landesleitzentrale eingingen. Erst kurz nach 19.00 Uhr entspannte sich die Lage allmählich. Die steirischen Feuerwehren meldeten, dass seit Jahresbeginn über 2.500 Einsätzen in Zusammenhang mit Pumparbeiten und Elementarereignissen geleistet wurden. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es knapp 2.300.
Das Bundesheer ist in der Steiermark auf Anforderung von Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) im Assistenzeinsatz und unterstützt mit 33 Soldatinnen und Soldaten des Katastropheneinsatzzuges zivile Einsatzkräfte im Teigitschgraben bei Voitsberg. Am Freitag wurden von einem Heereshubschrauber Erkundungseinsätze geflogen.
Die Überschwemmungen bzw. umgestürzte Bäume hatten die Graz-Köflacher-Bahn (GKB) und die Südbahn blockiert. Die Bahnstrecke zwischen Söding-Mooskirchen und Köflach ist aufgrund von Unwetterschäden voraussichtlich bis einschließlich Montag (15. Juli) unterbrochen. Ein Schienenersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet. Umgestürzte Bäume hatten zwischen Neumarkt in der Steiermark und dem kärntnerischen Friesach u. a. die Oberleitungen der Südbahn zerstört. In den Abendstunden waren den Bahnhöfen Unzmarkt und Friesach Züge an der Weiterfahrt gehindert. Mehr als 200 Personen wurden aus Friesach mit Bussen der ÖBB nach Unzmarkt gebracht, um von dort aus ihre Reise Richtung Wien fortzusetzen. Im Bahnhof Unzmarkt selbst warteten zusätzlich mehr als 300 Personen bis zu vier Stunden auf ihre Weiterfahrt. Das Rote Kreuz versorgte rund 1.300 Menschen mit Trinkwasser, Snacks und Süßigkeiten für die Kinder. Die Strecke soll bis Sonntag, 19.00 Uhr wieder frei sein, ein Schienenersatz mit Bussen wurde eingerichtet.
Im Bereich Judenburg im obersteirischen Bezirk Murtal wurde eine junge Frau verletzt, als ein Baum auf ihren Pkw stürzte, so die Feuerwehr. Sie wurde von der Feuerwehr Farrach aus dem Fahrzeug befreit und vom Rettungsdienst versorgt. Die Straße über den über 1.700 Meter Seehöhe gelegenen Sölkpass war zwischen Baierdorf und St. Nikolai wegen eines Erdrutsches gesperrt. Gleiches galt für die B70 in Richtung des weststeirischen Voitsberg zwischen Gaisfeld und Krems wegen Sturmschäden und geknickter Bäume. Hier wurde am Freitag gegen 17.00 Uhr ein 27 Jahre alter Feuerwehrmann von einem umstürzenden Baum verletzt. Er wurde von seinen Kameraden erstversorgt und dann ins LKH Graz gebracht.
In Kärnten hatten die Feuerwehren am Freitagvormittag noch die Aufräumarbeiten vom Donnerstag weiterzuführen, als am Nachmittag teils heftiger Wind zahlreiche Bäume umstürzen ließ und sich weitere Gewitterzellen über dem ganzen Bundesland entluden. Besonders am Faaker See, am Wörthersee und am Keutschacher See führte der starke Sturm zu vielen Einsätzen von Wasserrettung und Feuerwehr. Viele Schwimmer, Standup-Paddler und Surfer konnten aufgrund des starken Wellengangs nicht mehr ans Ufer gelangen und wurden mit Booten in Sicherheit gebracht.
250 Unwettereinsätze in Kärnten
Im Lavanttal stürzte ein Baum auf ein Fahrzeug, der Lenker wurde im Pkw eingeschlossen, konnte aber nach Beseitigung des Baumes durch die Feuerwehr unverletzt befreit werden. Gegen 15.45 Uhr schlug während eines Gewitters ein Blitz in das Dach eines landwirtschaftlichen Gebäudes in der Gemeinde Reichenau (Bezirk Feldkirchen) ein. Der Sohn des Landwirts brachte sofort die landwirtschaftlichen Geräte wie Traktor usw. aus dem Stall. Die Kärntner Feuerwehren hatten am Freitag rund 250 Unwettereinsätze zu bewältigen, gesamt standen 151 Wehren im Einsatz. Der Samstag werde ganz im Zeichen der Aufräumarbeiten, besonders im Lavanttal, stehen, teilte die Landesfeuerwehr mit.
Die Unwetterschäden in der Landwirtschaft in Kärnten dürften sich auf rund 950.000 Euro belaufen, schätzte der Landesdirektor der Hagelversicherung, Hubert Gernig. „In den Bezirken Wolfsberg und St. Veit an der Glan wurden knapp 3.000 Hektar Getreide-, Mais- und Sojakulturen sowie Grünlandflächen und Gärtnereien durch Hagel, Starkregen und Sturm geschädigt“, sagte Gernig am Samstag laut Aussendung.
(Artikel aktualisiert um 17 Uhr)