Im Dezember ist ein 16-jähriges Mädchen in der Wohnung eines 55-jährigen Mannes infolge übermäßigen Drogenkonsums gestorben. Zuvor soll er sich an der Minderjährigen vergangen haben. Für diesen sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Person (Paragraf 205 StGB) musste sich der bereits mehrfach vorbestrafte Mann am Donnerstag am Landesgericht Wien verantworten. Um 15 Uhr stand das Urteil fest: Freispruch!
Für einen Schöffensenat war am Ende der Verhandlung die Beweislage nicht ausreichend, „um mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass Wehrlosigkeit gegeben war“, wie die vorsitzende Richterin in der Begründung wörtlich feststellte. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
„Zu den Vorwürfen kann ich nur lachen“
Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, im Dezember 2023 eine von Suchtmitteln beeinträchtigte 16-Jährige in seine Unterkunft mitgenommen und dort ihren Zustand ausgenutzt zu haben, um mit ihr mehrfach den Beischlaf zu vollziehen. Das Mädchen wurde am 10. Dezember tot in der Wohnung aufgefunden. Er sei „unschuldig“, lautete die Verantwortung des Mannes. „Zu den Vorwürfen kann ich nur lachen“, meinte er zu Beginn seiner Einvernahme.
Es sei ein Mal zu einvernehmlichem Sex gekommen, wobei das Mädchen „nicht wehrlos“ gewesen sei. Sie habe „aktiv mitgemacht“, behauptete der Mann: „Sie war nicht super beeinträchtigt.“ Er „höre sie heute noch“. Seine unmittelbar nach seiner Festnahme getätigten Angaben wies der Angeklagte großteils zurück: „Es gab kein zweites Mal Sex“. Die Polizei habe ihn „nicht ausreden lassen“.
Wie sich bei den Ermittlungen herausstellte, war die 16-Jährige infolge ihres Drogenkonsums gestorben. Bei der Obduktion wurden in ihrem Körper Spuren von Morphin, Kokain, Methamphetamin und weiterer Substanzen nachgewiesen. Im Zusammenhang mit dem Ableben des Mädchens konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er dafür kausal verantwortlich bzw. mitverantwortlich war. Er hatte ihr keine Drogen verabreicht, billigte ihm die Staatsanwaltschaft zu.
Drogenmix in Blut der Toten nachgewiesen
Wie Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp in der Verhandlung darlegte, starb die 16-Jährige an einer Sauerstoffunterversorgung in Folge einer kombinierten Suchtgiftvergiftung. Der Tod sei am 10. Dezember zwischen 6.00 Uhr und 12.00 Uhr eingetreten, sagte der medizinische Sachverständige. Laut dem chemischen Sachverständigen Günter Paul Gmeiner hatte das Mädchen einige Stunden vor ihrem Ableben Kokain genommen. Was morphinhaltige Substanzen betraf, konnte Gmeiner nicht gänzlich ausschließen, dass die 16-Jährige eine Stunde vor ihrem Tod konsumiert hatte. Was die inkriminierten Handlungen anlangte, sagte Gmeiner, es könne mit einer forensisch-chemischen Analyse nicht rückgeschlossen werden, „ob sie wehrlos war“.
„Sie war schon süchtig“, räumte die Mutter der ums Leben gekommenen Jugendlichen ein, die nach einer kurzen Pause als Zeugin vernommen wurde. Ausschlaggebend dafür sei ein Todesfall in der Familie gewesen, vermutete die 42-Jährige. Ihre Tochter habe mit dem Konsum von Substanzen „Trauer, Schmerz rausgelassen“. Die 16-Jährige sei von Montag bis Freitag in einer betreuten WG untergebracht gewesen: „Die Wochenenden hat sie zu Hause verbracht, was gut funktioniert hat.“
Am 5. Dezember - einem Dienstag - habe sie erfahren, dass ihre Tochter abgängig war. Sie habe das Mädchen angerufen, erinnerte sich die Mutter: „Ich habe versucht, ihr zuzureden, dass sie nach Hause kommt. Das wollte sie nicht.“ Wie die Mutter dem Gericht erklärte, hätte das Mädchen nach einem vorangegangenen Suizidversuch (“Es war ein Hilfeschrei“) auf Zuweisung eines Amtsarztes an sich stationär in einer Klinik aufgenommen werden sollen. Dazu sei es nicht mehr gekommen.
Zuletzt habe sie am 9. Dezember um 18.30 Uhr eine Textnachricht von ihrer Tochter erhalten, stellte die Mutter fest. „Bin bei einem Freund“, teilte das Mädchen mit. Sie sei davon ausgegangen, dass sich die 16-Jährige „bei einem Burschen“ aufhielt, sagte die Mutter mit einem Blick auf den 55-jährigen Angeklagten. Nach ihrer Befragung blieb die Mutter im Gerichtssaal und verfolgte als Zuseherin den Fortgang der Verhandlung.
Wegen gemeinschaftlichen Mordes im Gefängnis gewesen
Der Angeklagte, der in Österreich sieben Vorstrafen wegen Vermögensdelikten und Körperverletzung aufweist und in den 1990er-Jahren in Deutschland eine langjährige Haftstrafe wegen gemeinschaftlichen Mordes ausgefasst hatte, hatte das Mädchen am Westbahnhof kennengelernt, nachdem er sie beim Erwerb von Suchtmitteln beobachtet hatte. Sie habe ihm erzählt, dass sie seit ihrem zwölften Lebensjahr harte Drogen nehme, schilderte der Angeklagte. Sie habe ihm erklärt, sie sei 19 bzw. 21. Er habe aber „aus dem Kontext festgestellt, dass sie 17 ist“, räumte er ein.
Der 55-Jährige wies seine ursprüngliche Aussage zurück, das Mädchen hätte sich mehrfach in seiner Unterkunft in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus befunden. Sie sei erst am 9. Dezember bei ihm gewesen. Wie es zum Sex kam, wollte er dem Schöffensenat nicht verraten: „Das ist eine Sache, die mir seit sieben Monaten peinlich ist. Ich möchte nicht mehr drüber reden. Ich habe nie in meinem Leben jemanden vergewaltigt.“ Als die Richterin dahin gehend nachfragte, erwiderte der Mann: „Sie stellen mir Fragen, um mich zu verwirren. Sie schreien mich an. Ich bin hilflos.“
Am Morgen des 10. Dezember sei das Mädchen dann leblos neben ihm gelegen: „Wenn man mit dem Tod konfrontiert ist, ist das ein Riesenunterschied. Das ist erschütternd.“ Seine ursprünglichen Angaben, er habe am Morgen im Glauben, die Jugendliche schlafe, noch versucht, mit ihr intim zu werden, wies er zurück. Er habe „keine Ahnung“, weshalb er das bei der Polizei gesagt habe. Die Frage der Richterin, wie er festgestellt hätte, dass die 16-Jährige tot war, blieb unbeantwortet. „Das ist mir zu persönlich. Ich möchte nicht darüber reden.“
Wie die psychiatrische Sachverständige Sigrun Rossmanith erläuterte, weist der Angeklagte eine Persönlichkeitsstörung auf. Der Mann sei „auffällig“, aber es handle sich um keine schwere und nachhaltige Störung, so dass kein Schuldausschließungsgrund gegeben sei.