Weil sie ihr Kopftuch abgelegt hat, wurde Zeliha Ç. von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) diskriminiert. So steht es im Urteil, das vor Kurzem in erster Instanz am Arbeits- und Sozialgericht gefallen ist. Die IGGÖ muss der 47-jährigen Wiener Religionslehrerin demnach 15.000 Euro zahlen, man will die Entscheidung aber anfechten. Doch was könnte das erste Urteil bedeuten?
Zeliha Ç. ist ein kleines Mädchen, als sie anfängt, Kopftuch zu tragen. Mit 16 Jahren heiratet sie ihren Cousin. Drei Kinder, Gewalt und 19 Jahre Ehe später, reicht sie die Scheidung ein. 14 Jahre als islamische Religionslehrerin an einer Wiener Schule liegen hinter ihr, als sie beschließt, 2017 ihr Kopftuch abzulegen. Die Entscheidung bleibt nicht ohne Folgen. Sie soll deswegen keinen Vertrag als Landeslehrerin erhalten haben. Das Gericht sieht eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion. Ç. wolle mit ihrer Geschichte anderen Frauen Mut machen, sagte sie immer wieder zur Kleinen Zeitung. Und sie wolle jungen Muslimas erklären, dass Religion nichts mit politischem Islam zu tun habe. Derzeit möchte Ç. keine Stellungnahme abgeben, heißt es von ihrem Anwalt.
„Bedauerlich und dramatisch“
Vorneweg: Islamlehrerinnen sind gefragt, 35 Prozent der Wiener Volksschüler an öffentlichen Schulen sind Muslime. Während der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) eine „wichtige Entscheidung für die Rechte von muslimischen Religionslehrerinnen“ ortet und Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp die Auflösung der IGGÖ aufgrund von „islamistischen Tendenzen“ fordert, hat Ednan Aslan wenig Hoffnung. Der Professor für islamische Religionspädagogik weiß: Ç. ist „nicht die einzige Kollegin, die unter dieser Diskriminierung leidet“. Die IGGÖ würde verschiedene Gründe aufführen, warum man sich für das Kopftuch bei Lehrerinnen ausspricht: Gläubige Eltern würden ihre Kinder etwa sonst abmelden. Von der IGGÖ heißt es: Das Tragen eines Kopftuchs sei im Dienstvertrag nicht als Pflicht angeführt, es sei aber „gängige Glaubenspraxis im Islam“.
Aslan glaubt nicht, dass sich nun mit dem Urteil etwas ändert. Zu groß sei die Angst der Betroffenen vor Ächtung und Prozesskosten. Laut IGGÖ gibt es nur eine „Handvoll“ Religionslehrerinnen in Österreich ohne Kopftuch, berichtet das Profil. Aslan betont: „Unsere Absolventen ohne Kopftuch bewerben sich gar nicht erst.“ Die Situation sei „bedauerlich und dramatisch. So ein Religionsunterricht fördert keine Demokratie und keine plurale Gesellschaft.“