Die Millionen sind verteilt: Der „Gute Rat für Rückverteilung“ hat entschieden, was mit 25 Millionen Euro von Marlene Engelhorns Erbe passiert. Insgesamt wurden 77 Institutionen ausgewählt, darunter das gewerkschaftsnahe Momentum Institut (1,2 Millionen Euro) – bei dem Projektleiterin Alexandra Wang angestellt war und auch die Pharma-Erbin Engelhorn sich in der Vergangenheit engagiert hat –, der Naturschutzbund (1,6 Millionen Euro), die Lebenshilfe (210.000 Euro), die Frauenhäuser (300.000 Euro), die globalisierungskritische Organisation Attac Österreich (1.070.400 Euro), das Neunerhaus (1,6 Millionen Euro) oder auch die Stiftung Común (100.400 Euro) von Sebastian und Veronika Bohrn Mena, die zuletzt in der Causa rund um Lena Schilling für Aufsehen sorgten – die vollständige Liste ist hier einsehbar. Die meisten Organisationen werden die Summe über einen Zeitraum von mehreren Jahren erhalten.
An sechs Wochenenden hat sich der 50-köpfige Rat – er sollte Österreich repräsentativ darstellen – getroffen und sich mit der Frage beschäftigt, wie das Geld der Pharma-Erbin Engelhorn verteilt werden soll, erklärt Projektleiterin Alexandra Wang. Der Prozess sei barrierefrei gestaltet worden, um Kinderbetreuung und Dolmetscher habe man sich gekümmert, jegliche Kosten, die für die Ratsmitglieder angefallen sind, seien übernommen worden. Begleitet wurde der Rat von einem achtköpfigen Moderationsteam mit „viel Erfahrung in der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung“, Methoden wie Kamingespräche und kleine Austauschformate wurden angewendet. Expertinnen und Experten von wissenschaftlichen Institutionen seien dem Rat zur Verfügung gestanden.
Wie das Geld verteilt wurde
Der Rat wurde in sechs Arbeitsgruppen aufgeteilt, dort wurden Themen festgelegt, die den Mitgliedern wichtig sind, danach wurden Organisationen recherchiert und ausgewählt, jede Arbeitsgruppe konnte maximal vier Millionen Euro verteilen. „Hat eine oder einer einen Einwand eingebracht, so wurde dieser behandelt und konnte er nicht aufgelöst werden, so wurde der Vorschlag verworfen“, sagt Wang. Die übrigen 3,7 Millionen Euro wurden auf die Ratsmitglieder aufgeteilt, jede und jeder konnte Organisationen und Initiativen einzeln noch unterstützen, die vorher in Arbeitsgruppen festgelegt wurden. Wer mit wie viel Geld unterstützt wurde, sei so festgelegt worden: Man habe sich mithilfe von Expertinnen und Studierenden über die Jahresbudgets der Organisationen informiert und dann die Summe danach ausgewählt.
Warum das Geld auf so viele Institutionen verteilt wurde, erklärt Ratsmitglied Dietmar Feurstein aus Vorarlberg so: „Es geht ums Aufzeigen und darum, exemplarisch zu unterstützen. Ziemlich schnell sind wir draufgekommen, dass 25 Millionen Euro eigentlich sehr wenig Geld sind.“ Wichtig sei den Ratsmitgliedern gewesen: „Gruppen und Themen sichtbar zu machen, die wenig Sichtbarkeit bekommen oder Projekte, die an Problemlösungen arbeiten.“ Speziell die Themen Klima und Umwelt, leistbares Wohnen, Gesundheit und Soziales sowie Integration und Bildung waren dem Rat wichtig.
Engelhorn selbst haben die Ratsmitglieder nur beim ersten Treffen gesehen. Die Millionenerbin war bei der Verkündung des Ergebnisses nicht dabei, sie habe dem Rat die Show nicht stehlen wollen, hieß es. Sie hält in einem Statement fest, dass sie den Ratsmitgliedern „unglaublich dankbar“ ist. An die Politik richtet sie einen Appell: „Nun sind die politischen Gestalterinnen und Gestalter in ihrer parlamentarischen Verantwortung aufgefordert, dem gerecht zu werden, was diese repräsentative Gruppe der österreichischen Bevölkerung vorgelebt hat.“ Engelhorn selbst will ins Erwerbsleben einsteigen.
Was die Ratsmitglieder sagen
Ratsmitglied Elisabeth Klein, Handelsangestellte aus Oberösterreich, war beeindruckt, wie schnell 50 Menschen aufeinander zugegangen sind: „Alle waren sehr bemüht. Es wurde viel geredet, aber auch gut zugehört“, sagt sie. Das jüngste Ratsmitglied, Kyrillos Gadalla (17) aus Wien, sagt etwa, er habe viel dazugelernt. Beeinflusst habe er sich während des Prozesses nicht gefühlt. Was Ratsmitglied Angelika Taferner aus Niederösterreich noch festhält: „Wir wünschen uns mehr Angebote der direkten Demokratie, zum Beispiel mehr Bürgerbeteiligung.“ Wäre es sinnvoller gewesen, mehr Geld an weniger Organisationen zu vergeben? „Diese Überlegung hatten wir“, sagt Taferner, „aber dadurch, dass so viele Menschen im Rat waren, wäre das schwierig gewesen.“
Klein ergänzt: „Das Vermögen ist in Österreich ungleich verteilt, deswegen haben wir einen Schwerpunkt auf Organisationen gelegt, die an mehr Gleichheit arbeiten. Wir wünschen uns eine weniger extreme ungleiche Vermögensverteilung und eine sinnvolle Kombination von Erbschafts- und Schenkungssteuer.“ Feurstein fügt hinzu: „Ich kann so eine Form der Beteiligung nur empfehlen.“ Die Ratsmitglieder hoffen auch, dass das Projekt Vorbildwirkung hat. Ein Abschlussbericht des Rats wird im Herbst veröffentlicht.