Am Dienstagabend kam es in Wien-Floridsdorf zu einer Tragödie. In einer Wohnung wurde eine 22-jährige Frau ermordet. Der Verdächtige griff daraufhin die Polizei mit einer Axt an. Infolgedessen wurde der 26-Jährige von einem Polizeibeamten erschossen. Die Frau hat kurz vor ihrem Tod zwei ihrer Arbeitskollegen mittels Textnachrichten um Hilfe gebeten, weil sie sich vor ihrem Mitbewohner fürchtete. Die beiden Männer alarmierten die Polizei. In einem Videotelefonat mit einem der Kollegen war die Attacke sogar zu sehen, so die Exekutive. Es ist der bereits elfte Femizid, der in diesem Jahr in Österreich begangen wurde – der bereits dritte in diesem Monat.
Der 26-Jährige hatte angeblich schon im Vorfeld massive psychische Auffälligkeiten an den Tag gelegt. Laut Andrea Brem, Gewaltschutzexpertin und ehemalige Chefin der Wiener Frauenhäuser, habe man das Problem von psychischen Erkrankungen und Gewalt in den letzten Jahren vernachlässigt. In der ZiB 2 bei Armin Wolf sagte sie, dass ein großer Teil der Männer, die ihre Frauen ermordet haben, tatsächlich psychiatrisch erkrankt waren, und dass man dort genauer hinschauen müsse. Obwohl sie das Prinzip der Freiwilligkeit bei psychiatrischen Erkrankungen grundsätzlich lobt, sieht die Expertin hier auch Handlungsbedarf: „Ich würde mir wünschen, dass es hier mehr Auflagen gibt und dass man vonseiten der Psychiaterinnen und Psychiater genauer hinschaut.“
Mehr Behandlungsmöglichkeiten
In der Psychiatrie sehe Brem, dass die Behandlung nicht nachhaltig sei. Die Behandlung einer Psychose sei ein Prozess und passiere nicht „von heute auf morgen“. Die stationäre Behandlung sei vernachlässigt worden und es gebe zu wenig Plätze. Dadurch werden Leute in den Psychiatrien nicht lange behandelt und „das ist falsch“, so Brem. Gerade wenn bereits Gewalt im Spiel war, sollte eine grundsätzliche Anhaltung in einer psychiatrischen Einrichtung für einen gewissen Zeitraum überlegt werden: „Der stationäre Bereich ist vernachlässigt.“
Auf die Frage, was man daraus lernen kann, dass die Täter mehrheitlich Partner und suchtkrank waren und 40 Prozent einen Migrationshintergrund haben, sagt Brem, dass man verschiedene Ansätze brauche. Das derzeitige System sehe Anzeigen und Gerichtsprozesse vor – das möchten jedoch viele Frauen nicht, so Brem. Daher müsse man überlegen, wie man Frauen in solchen Situationen besser stützen kann. Zudem bräuchten auch betagte Paare mehr Unterstützung.
Wie kann man jedoch Frauen helfen, die nach dem Frauenhaus-Aufenthalt wieder zurück zu ihrem gewalttätigen Partner gehen? Laut Brem geht keine Frau aus dem Frauenhaus weg wie zuvor, weil sie wisse, welche Möglichkeiten sie habe und wo sie sich Hilfe holen könne. Außerdem verändere sich die Situation auch für den Mann, weil die Frauen das erste Mal nach „außen gegangen ist“. „Es gibt jetzt Mitwisser für diese Geschichte“, sagt Brem.
„Es wäre nett, einfach die Straßenseite zu wechseln“
Dass in einer Umfrage mehr Frauen erklärt haben, sie würden in einem Wald lieber auf einen wilden Bären als einen Mann treffen, verwunderte Brem nicht: „Ich glaube, dass jede Frau in ihrem Leben bereits Situationen erlebt hat, in denen sie sich bedroht gefühlt hat.“
Was könnten Männer tun, um Frauen in bedrohlichen Situationen, etwa am Heimweg im Dunklen, die Angst zu nehmen? „Es wäre nett, einfach die Straßenseite zu wechseln“, um zu signalisieren, „es ist alles ok“. Als Frau wisse man nie, wer da gerade entgegenkomme. „Dass wir in der ständigen Angst vor Übergriffen leben“, sei etwas, das Männer nicht nachvollziehen können, so Brem.