Österreich verzeichnet das höchste Geburtendefizit seit dem Zweiten Weltkrieg. Das zeigen die aktuellen Zahlen der Statistik Austria von 2023. Demnach sind zuletzt 12.000 Personen mehr verstorben, als zur Welt gekommen sind. Die Gesamtfertilitätsrate lag mit 1,32 Kindern pro Frau deutlich unter dem Vorjahreswert von 1,41 und sogar knapp unter dem bisherigen Allzeit-Minimum von 1,33 Kindern pro Frau aus dem Jahr 2001. Insgesamt wurden 77.605 Kinder geboren.

Die Zahlen überraschen: „Die Geburtenrate ist unerwartet stark gefallen, wir hatten erwartet, dass sich die Rate nach der Pandemie wieder erholen wird“, sagt Caroline Berghammer von der Uni Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Demografin führt das „sehr ungewöhnliche“ Ergebnis auf die multiplen Krisen zurück. Allen voran auf die Inflation, Kinder müsse man sich leisten können, Nachwuchs ist teurer und zeitintensiver geworden. Zusätzlich würden Klimakrise und Ukraine-Krieg ein „Klima der Unsicherheit“ schaffen, das viele Frauen und Paare zögern lasse. Europaweit sinkt die Geburtenrate.

Dass hierzulande immer weniger Kinder auf die Welt kommen, liegt vor allem am Verschwinden der Großfamilien. „Die Zwei-Kind-Norm wird sehr stark gelebt“, sagt Berghammer. Immer mehr Menschen haben das Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Kinderkriegen im Hinterkopf. „Als Nutzen werden die emotionale Bindung und das Erfahren der Elternschaft gesehen. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, reichen ein bis zwei Kinder. Mit drei Kindern oder mehr Kindern warten noch höhere finanzielle Kosten für den Wohnraum etwa.“

Österreich als Land der Kinderlosen

Dazu kommt, dass in Österreich die Kinderlosigkeit „sehr hoch“ ist – auch im EU-Vergleich. Jede fünfte Frau mit Jahrgang 1980 hat keine Kinder bekommen. Das liege vor allem auch daran, dass Frauen immer höhere Bildungsabschlüsse machen und sich dann gegen Kinder entscheiden, weil sich Beruf und Familie nicht gut vereinbaren lassen.

Was der Geburtenrückgang für die Gesellschaft bedeutet? Österreichs Bevölkerung wächst nur durch Zuwanderung. Als große Herausforderung wird die alternde Bevölkerung angesehen, Expertinnen und Experten pochen darauf, dass sich die Politik mehr mit dem System Pflege auseinandersetzt. Die Menschen dazu anzuregen, wieder (mehr) Kinder zu bekommen, kann laut Berghammer nur durch mehrere Maßnahmen funktionieren: Etwa durch mehr Geld für jene, die sich aufgrund der Kosten gegen Kinder entscheiden oder „durch bessere Kinderbetreuung und mehr Engagement der Väter“ für jene, die die Unvereinbarkeit von Karriere und Familie hemmt.

Was die neuesten Statistiken auch zeigen: 2023 brachte weniger Hochzeiten (minus 3,4 Prozent) und mehr Scheidungen (plus 5,2 Prozent) als 2022. Für Berghammer auffallend: „Wir hätten uns mehr Scheidungen nach der Pandemie erwartet. Die Inflation dürfte auch hier bremsen, den Aufbau eines zweiten Haushalts nach einer Scheidung muss man sich leisten können.“ Auch mit mehr nachgeholten Hochzeiten hatte man gerechnet. „Es scheint so, als ob viele Paare ihre Feiern erst in den nächsten Jahren nachholen wollen.“ Generell gehe der gesellschaftliche Trend aber weg von der Ehe und hin zur nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.