Im Fall eines aufgrund von massiver Unterernährung im Tiroler Bezirk Kufstein verstorbenen dreijährigen Buben hat das Landesgericht Innsbruck am Freitag die Untersuchungshaft über dessen Eltern im Alter von 25 und 26 Jahren verhängt. Es bestehe der dringende Tatverdacht des Verbrechens des Mordes, teilte das Gericht in einer Aussendung mit. Als Haftgrund wurde Tatbegehungsgefahr angeführt. In zwei Wochen wird die nächste Haftprüfungsverhandlung stattfinden.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft die Verhängung der U-Haft beantragt. Das Landesgericht folgte schließlich den Argumenten der Anklagebehörde und gab dem Antrag statt. Die Eltern sollen das Kind „zumindest mehrere Wochen“ lang nicht entsprechend mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt haben, hieß es. Zudem bestand der Verdacht, dass die Eltern es „trotz offensichtlicher Verschlechterung seines Gesundheitszustandes und seines augenscheinlichen Gewichtsverlustes“ unterlassen haben, einen Arzt zu kontaktieren, sodass der Bub letztlich verstarb.

Vater sagte nicht aus

Der Vater machte bisher von seinem Recht, nicht auszusagen, Gebrauch, hieß es. Die Mutter habe hingegen angegeben, dass das Kind in den letzten Wochen krank gewesen sei und keinen Appetit gehabt hätte. Ein Arztbesuch sei demnächst geplant gewesen.

Die Anklagebehörde ließ zudem wissen, dass weiter abgeklärt werde, inwiefern der Tod des Kindes „andere medizinische Ursachen“ gehabt haben könnte. Bisher habe es aber dahingehend keine Hinweise gegeben.

Der Bub war am Montag tot in seinem Bett liegend aufgefunden worden, woraufhin der Vater die Polizei verständigte. Eine Obduktion ergab schließlich, dass der Dreijährige verhungert war. Nachdem die Eltern wegen eines psychischen Ausnahmezustandes in einem Spital gewesen waren, wurden sie festgenommen. Drei weitere Geschwister wurden in die Obhut der Kinder- und Jugendhilfe übergeben. Die Mädchen im Alter von einem, drei und sechs Jahren wiesen indes keine Mangelerscheinungen auf. Auch war die Familie zuvor behördlich nicht auffällig gewesen.

„Ein gesundes Kind verhungert nicht so einfach“

In der „Tiroler Tageszeitung“ kam indes der Direktor der Innsbrucker Kinderklinik, Thomas Müller, zu Wort. Für ihn sei der Fall „in unserer westlichen Industriewelt auch außergewöhnlich. Ich kenne keinen ähnlichen“. Müller wies unter anderem darauf hin, dass „ein gesundes Kind nicht so einfach verhungert. Es wehrt sich, fordert Nahrung, will seine Grundbedürfnisse gestillt haben. Das gehört zum Überlebenstrieb.“ Dass Menschen an Unterernährung sterben, passiere nicht von heute auf morgen: „Das sind Prozesse, die sich über Wochen oder gar Monate ziehen.“ Vorausgesetzt, der Betroffene leide nicht an Vorerkrankungen. In letzterem Fall könne es nämlich schneller gehen, „das kann Mangelzustände fördern.“ Darüber hinaus stelle sich auch die Frage, wann der Bub das letzte Mal bei einem Arzt war: „Das Eltern-Kind-Pass-Programm sieht ja regelmäßige Untersuchungen vor. Dort wäre aufgefallen, dass das Gewicht nicht nur stagniert, sondern abnimmt.“