Im Fall des inzwischen 14-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel (Oberösterreich) in eine Hundebox gesperrt und brutalst gefoltert und gequält wurde, hat die Staatsanwaltschaft Krems Ermittlungen gegen zwei Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft (BH) Waidhofen a. d. Thaya eingeleitet. Im Raum stehe der Verdacht des Amtsmissbrauchs, sagte Behördensprecher Franz Hütter auf Anfrage. APA-Informationen zufolge handelt es sich um die zwei mit dem Fall betrauten Sozialarbeiter. Nach Angaben von Hütter werden die beiden Personen als Beschuldigte geführt. Weitere Details nannte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Krems nicht. Der Opferanwalt klagte das Land Niederösterreich auf 150.000 Euro Schmerzengeld - er ortet Versäumnisse der Kinder- und Jugendhilfe.
Der Vater war kürzlich zu Gast bei Christoph Feuerstein in der ORF-Sendung „Thema“: „Es fühlt sich so an, als ob sich niemand dafür interessiert“, sagt der Vater des Buben, der inzwischen bei ihm lebt. Er sehe Fehler bei der Kinder- und Jugendhilfe, sagt er im Interview. Von Problemen war der Vater erstmals fünf Tage, bevor der damals Zwölfjährige in lebensbedrohlichem Zustand ins Spital gebracht wurde, durch die Schule informiert worden. Zuvor habe ihn die Mutter von dem Buben mit allen Mitteln ferngehalten, so der Mann. Das Kind ist schwer traumatisiert und in Therapie, laut Experten werden ihn die Folgen des Erlebten nie mehr loslassen.
Gefahr in Verzug nicht erkannt
Die nunmehr Beschuldigten - ein Mann und eine Frau - wurden Ende Februar im Rahmen des Geschworenenprozesses am Landesgericht Krems als Zeugen befragt. Nach zwei Gefährdungsmeldungen hatte es seitens der Kinder- und Jugendhilfe am 28. Oktober und am 18. November 2022 (vier Tage, bevor der Bub ins Koma fiel) jeweils unangekündigte Hausbesuche bei Mutter und Sohn gegeben. Zunächst waren beide Sozialarbeiter an Ort und Stelle gewesen, beim zweiten Termin erschien der federführende Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen a. d. Thaya den Aussagen zufolge alleine. Geortet wurden von ihm zwar Auffälligkeiten, es wurde aber keine Veranlassung für eine sogenannte Gefahr-im-Verzug-Maßnahme gesehen.
Die Kinder- und Jugendhilfe hatte nach Bekanntwerden des Falls 2023 betont, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe ergeben habe, dass „alle rechtlichen und fachlichen Vorgaben eingehalten wurden“. Aufgrund von im Gerichtsverfahren bekanntgewordenen Details wurde seitens des Landes eine nochmalige Prüfung des Falls veranlasst. Untersucht werden soll von der Fachaufsicht, „ob alle rechtlichen und fachlichen Standards“ eingehalten wurden. Diese Prüfung befand sich zuletzt in Finalisierung.
150.000 Schmerzengeld vom Land gefordert
Opferanwalt Timo Ruisinger machte Mitte April Amtshaftungsansprüche gegen das Land Niederösterreich außergerichtlich geltend. Gefordert wurden in einem Schreiben 150.000 Euro Schmerzengeld und eine Haftung für sämtliche zukünftige Schäden des Buben. Das Land kann sich dazu binnen drei Monaten äußern. Ruisinger stützt seine Forderungen darauf, dass die betreffenden Mitarbeiter der BH Waidhofen a. d. Thaya „völlig unzureichend, somit rechtswidrig und schuldhaft auf die dramatische und lebensgefährliche Situation“ des Buben reagiert hätten.
Bereits im Vorjahr war die Causa auch Grund für das Zusammentreten einer Expertengruppe. Ein entsprechender Kommissionsbericht, der sieben allgemeine Empfehlungen umfasst, wurde Anfang März präsentiert. Mit dem konkreten Sachverhalt beschäftigte man sich nicht, Bestimmungen des Datenschutzes und berufsrechtliche Verschwiegenheiten standen dem entgegen.
„Restlose Untersuchung des Falls“
„Die Staatsanwaltschaft Krems hat zuletzt um die Übermittlung des Berichts der Expertenkommission Kinderschutz ersucht. Dem ist Anfang der Woche Folge geleistet worden“, hieß es am Donnerstag aus dem Büro von Niederösterreichs Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), die erneut unterstrich, dass sie in vollem Umfang zur Klärung beitragen werde. „Es ist daher beabsichtigt, dass auch der Prüfbericht der Fachaufsicht nach Fertigstellung den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt wird.“ Die „restlose Untersuchung des Falls“ sei für die Landesrätin „von höchstem Interesse“, wurde betont.
Der Anlassfall sorgte über die Landesgrenzen hinweg für Aufsehen. Die 33-jährige Mutter soll ihren Sohn geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox eingesperrt haben. Am 22. November 2022 hatte sich das Kind in akut lebensbedrohlichem Zustand befunden. Der Zwölfjährige überlebte wegen des Einschreitens einer Sozialarbeiterin, die der Familie aufgrund einer Beratung bekannt war. Als Komplizin der Kindsmutter soll eine damalige Freundin der Waldviertlerin fungiert haben.
Versuchter Mord, Quälen, Vernachlässigen
Die 33-Jährige hatte in dem Geschworenenprozess wegen versuchten Mordes, Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie wegen Freiheitsentziehung 20 Jahre Haft erhalten. Ihre ehemalige Freundin fasste wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin 14 Jahre aus. In beiden Fällen wurde zudem die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum ausgesprochen. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig, weil die Verteidiger Rechtsmittel eingebracht haben.