„Es fühlt sich so an, als ob sich niemand dafür interessiert“, sagt der Vater des Buben, der von seiner Mutter in eine Hundebox gesperrt und gequält worden sein soll. Der Vater des heute 14-Jährigen sieht Fehler bei der Kinder- und Jugendhilfe. Warum haben ihn die Gefährdungsanzeigen von der Schule und dem Krankenhaus nicht erreicht? Eine Expertenkommission sollte die offenen Fragen klären. Stattdessen enthält deren Bericht allgemeine Empfehlungen. Jetzt beschäftigt sich eine Fachaufsicht erneut mit der Frage, ob alle rechtlichen und fachlichen Standards eingehalten wurden. Viele Fragen rund um das Leid des Buben aus Niederösterreich sind unbeantwortet. Sein Opferanwalt fordert jetzt vom Land Niederösterreich 150.000 Euro Schmerzengeld. Heute lebt der 14-Jährige bei seinem Vater im Waldviertel. Christoph Feurstein geht in „Thema“ den offenen Fragen nach.
Das Interview in der ORF TVthek zum Nachschauen.
„Hätte meinen Sohn nicht erkannt“
Von Problemen war der Vater erstmals fünf Tage, bevor der damals Zwölfjährige in lebensbedrohlichem Zustand ins Spital gebracht wurde, durch die Schule informiert worden. Zuvor habe er seinen Sohn etwa ein halbes Jahr nicht gesehen, weil ihn die Mutter „sozial isoliert“ habe, sagte der Vater. Der Bub habe 2022 fast 30 Kilo abgenommen. Von zwei Gefährdungsmeldungen bei der Kinder- und Jugendhilfe – eine vonseiten der Schule und eine aus dem Spital – habe der Mann lange Zeit nichts erfahren, bis sich die Vertrauenslehrerin seines Sohnes meldete. Er sei informiert worden, dass sein Kind „viel Gewicht verloren hat, viele Fehlzeiten in der Schule hat und die Mutter umziehen will“. Als er seinen Sohn im Krankenhaus besuchte, war er zutiefst erschrocken. „Wenn der Arzt mir nicht gesagt hätte, wo mein Sohn ist, hätte ich ihn nicht erkannt.“ Der Bub hatte nur noch 40 Kilo und seine Körpertemperatur lag unter 27 Grad. „Er lag noch im Koma und wurde langsam aufgewärmt.“
Warum er nach diesem Anruf nicht gleich hingefahren sei, wollte Feurstein wissen. „Am Telefon klang das nicht lebensbedrohlich“, so der Vater. Außerdem hatte er schon länger keinen Kontakt mit seiner Ex gehabt. Die beiden haben sich getrennt, als der Bub noch ein Kleinkind war. Trotzdem sei die Beziehung danach gut gewesen – bis Corona kam und die Mutter seiner Ex-Frau starb. „Sie war eine große Stütze für meine Frau, auch bei der Betreuung unseres Sohnes“, sagt der Vater. Diese Mutterrolle habe wohl dann die neue Freundin der Mutter, die ebenfalls verurteilt wurde, übernommen.
„Jugendamt hätte gleich einschreiten müssen“
Unverständlich ist für ihn die Reaktion der zuständigen Sozialarbeiter auf die Gefährdungsmeldungen. Spätestens beim ersten Hausbesuch hätte das Jugendamt einschreiten müssen: „Es hat kein Bett mehr gegeben, er war abgemagert und mehrmals von zu Hause weggelaufen“, sagt der Vater.
Sein Sohn habe sich vom Martyrium mittlerweile etwas erholt, berichtete der Vater: „Er wird damit leben können oder er wird lernen müssen, damit zu leben. Vergessen kann man so etwas nicht.“ Er könne nur versuchen, so gut es geht, da zu sein für seinen Sohn, ihm „Liebe geben“. Ganz untypisch für sein Alter „haut er sich zuwa“, brauche die körperliche Nähe.
Anwalt: „Hatte noch nie so einen Fall“
Opferanwalt Timo Ruisinger hat am Montag Amtshaftungsansprüche gegen das Land Niederösterreich außergerichtlich geltend gemacht. Gefordert werden 150.000 Euro Schmerzengeld und eine Haftung für sämtliche zukünftige Schäden des Buben. Körperlich gehe es dem Buben zwar gut, so Ruisinger, seelisch schaue es aber ganz anders aus. Eine jahrelange Therapie werde nötig sein und diese Kosten müssten von der Behörde getragen werden. Durch das nicht sachgerechte Einschreiten sind die Schäden entstanden. „Ich hatte noch nie so einen Fall. Und ich hoffe, das war auch das letzte Mal“, sagt Ruisinger.