Die Menschheit wird versklavt, Politiker sind Reptilienwesen, die Impfung macht unfruchtbar. Der Nachrichtendienst Telegram gilt als Mekka für Verschwörungstheorien wie diese. Was davon nach der Pandemie geblieben ist, hat die Bundesstelle für Sektenfragen untersucht. Das Ergebnis: „Besorgniserregend.“
Die Zahl der Telegram-Kanäle der Corona-Protestbewegung ist von März 2020 bis September 2023 von 40 auf 287 gestiegen. Wurden die Kanäle damals 100.000-mal pro Tag aufgerufen, waren es im Jänner 2022 neun Millionen Aufrufe. Heute hat sich die Zahl bei vier Millionen eingependelt. „Deutlich mehr als vor der Pandemie“, warnt Ulrike Schiesser von der Stelle.
Das Narrativ der Schwurbler ist immer ähnlich: Aktuelles Geschehen wie der Nahostkonflikt oder die Klimakrise werden als künstliche Krisen dargestellt, die von „globalen Eliten“ und mithilfe von Regierenden und Medien dazu genutzt werden, die Menschheit zu unterdrücken. „Es geht um Angst machen und Misstrauen schüren“, sagt Schiesser. Auf Kosten von Minderheiten. Denn oft werden Feindbilder konstruiert, Menschen mit Migrationshintergrund, LGBTIQ+-Personen oder Klimaaktivisten „dämonisiert“. „Es wird massiv gehetzt, das Gefährdungspotenzial steigt“, sagt Schiesser.
Rechtsextreme profitieren
Das Netzwerk auf Telegram besteht aus stark verbundenen Milieus, darunter Coronamaßnahmen-Gegner, Rechtsextreme wie Martin Sellner, Esoteriker, „alternative Medien“ wie AUF1 – mit 270.000 Abonnenten – und das parteipolitische Spektrum wie etwa die FPÖ. Besonders rechtsextreme Akteure haben durch Telegram Zugriff auf Gruppen, an die sie sonst nicht kommen würden. Und alternative Medien konnten ihre Reichweite zuletzt ausbauen. „Rechtsextremen und verschwörungstheoretischen Akteurinnen und Akteuren ist es teilweise gelungen, die Protestbewegung für sich zu vereinnahmen und ihre Inhalte insbesondere über sogenannte alternative Medien verstärkt verbreitet werden“, sagt Philipp Pflegerl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bundesstelle und Studienautor.
Auch wenn die Aufmerksamkeit auf Telegram nicht dieselbe wie zu Pandemiezeiten ist, „bleibt auf Telegram ein Netzwerk bestehen, das nach wie vor ein demokratiegefährdendes Potenzial aufweist und in dem Hass auf Minderheiten geschürt wird“, sagt Felix Lippe, ebenfalls Studienautor. Und, fügt Schiesser hinzu: „Dieses von Verschwörungstheorien geprägte Ökosystem kann bei der nächsten Krise wieder wachsen.“ Sie und ihr Team beobachten Telegram weiter, finanziert vom Bundeskanzleramt. Schiesser appelliert aber: Man müsse sich dringend Präventionsprojekte überlegen.