Während Sicherheitsbedenken rund um TikTok zunehmen, steigt auch die Zahl Politikerinnen und Politiker, die die Video-Plattform zu ihrem Vorteil nutzen wollen. Diverse Parteien in ganz Europa ringen um die Gunst junger Wählerinnen und Wähler, so finden sich dort Größen wie der französische Präsident Emmanuel Macron oder der deutsche Kanzler Olaf Scholz. Auch die österreichische Politik hat TikTok für sich entdeckt.
Freiheitliche versammeln die meisten Follower
Den Überblick über das Auftreten österreichischer Politikerinnen und Politiker auf TikTok zu bewahren, gestaltet sich schwierig. Laut #Doublecheck vom ORF sind 63 der 183 Nationalratsabgeordneten auf der Plattform vertreten, davon posten 41 aktiv Videos. Dazu kommen noch Partei-Accounts und Profile von Landesparteiorganisationen. Die Freiheitlichen haben klar die Nase vorn, wenn es um Abonnenten geht. Die FPÖ hat rund 44.000 Follower, der Account von Klubobmann Herbert Kickl sogar rund 62.000. Auf der Plattform teilt er hauptsächlich Ausschnitte aus Interviews und Reden.
Eine beachtliche Reichweite hat auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ihm folgen etwa 55.000 Personen. Auch der 80-Jährige teilt Ausschnitte aus Reden, spricht aber größtenteils direkt zu seinen Abonnentinnen und Abonnenten. Die Videos sind eher schlicht, zwischendurch sammelt er mit selbstironischen Beiträgen aber ordentlich Klicks.
Auch beliebt: NEOS-Nationalratsabgeordneter Yannick Shetty, der über 49.000 Follower zählt. Wie Kickl hat er eine deutlich größere Reichweite als seine Partei: Die NEOS erreichen „nur“ 20.000 Accounts. Reden und direkte Appelle an seine Follower stehen im Vordergrund, er setzt auf viele verschiedene Themen, vom Bundesheer bis zu LGBTQ+. Wichtig sei laut Shetty, authentisch zu sein. Message Control auf Social Media funktioniere nicht und würde vom Algorithmus schnell erkannt werden. Die Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger ist auf TikTok kaum relevant – ihr folgen aktuell knapp 800 Menschen.
Die ÖVP hat mit Bundesministerin Karoline Edtstadler eine reichweitenstarke Politikerin: Ihr folgen 24.000 Menschen, der Volkspartei knapp 4000. Edtstadler ist sehr aktiv, sie veröffentlicht Ausschnitte von öffentlichen Auftritten, direkte Appelle und gibt Einblicke in ihr Leben, etwa bei den Vorbereitungen auf den Opernball. Bundeskanzler Karl Nehammer zeigt sich vor allem im Anzug und setzt auf einen staatsmännischen Account, Maßnahmen der Regierung und die Pläne der Volkspartei. Ihm folgen über 7000 Menschen.
Die Nationalratsabgeordnete Julia Herr zählt über 12.000 Follower und lässt den SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler hinter sich, der etwa 3400 Follower von sich überzeugen konnte. Auch Herr folgt dem Trend österreichischer Politikerinnen und Politiker und setzt auf die Veröffentlichung von Ausschnitten aus ihren Parlamentsreden. Das funktioniere laut Herr gut, in Kombination mit Reaktionen auf die Kommentare würden sich damit viele Sachthemen erklären lassen. Exklusive Inhalte gibt es bei ihr kaum, da hat Babler die Nase vorn: Gerade in letzter Zeit postet er schneller geschnittene Videos und Memes.
Die Grünen sind auf TikTok zwar modern und folgen viralen Trends, ihr offizieller Account ist mit weniger als 3000 Followern – ähnlich wie die Volkspartei – trotzdem weit abgeschlagen, Vizekanzler Werner Kogler hat gar nur 1300 Abonnentinnen und Abonnenten. Klubobfrau Sigrid Maurer folgen zwar ähnlich viele Menschen, sie sticht aber trotzdem hervor: Die Videos wirken persönlicher, statt Reden gibt es Einblicke in die eigene Wohnung, sie kocht, schminkt sich und macht Witze darüber, dass ihr als Grünen-Politikerin eine Pflanze eingegangen ist. Zuletzt tanzte sie mit Rhabarber und probierte den Trend „Lip-syncing“ (Lippensynchronisation) aus. Sie versuche „relatable Content“ (nachvollziehbare Inhalte) zu schaffen, sie könne und wolle nicht immer nur im Hosenanzug kommunizieren, so Maurer. Der lockere Umgang liege ihr einfach.
Jugendforscher: „TikTok ist Fernseher der neuen Generation“
„Viele Leute glauben, dass auf TikTok nur Tänze gemacht werden“, sagt Journalistin Alena Wacenovsky gegenüber „Die Chefredaktion“. „Es ist aber ein Ort, an dem sehr viel politischer Diskurs stattfindet.“ Jugendforscher Kilian Hampel findet es wichtig, dass Politikerinnen und Politiker auf großen Social-Media-Plattformen vertreten sind. Der ORF berichtet, dass bei einer deutschen Jugendstudie über 60 Prozent der Jugendlichen angegeben haben, sich auf sozialen Medien über politische Inhalte zu informieren.