Vier aus Algerien stammende Männer im Alter von 21, 22, 25 und 29 Jahren sind am Dienstagabend am Wiener Landesgericht im Prozess um den sogenannten Macheten-Mord im Sinn der Anklage schuldig erkannt und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Für den 22 Jahre alten Hauptangeklagten setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der 21-Jährige bekam 15 Jahre, die 25 und 29 Jahre alten Männer jeweils 17 Jahre Haft.
Die Geschworenen gelangten mehrheitlich – im Fall des 22-Jährigen einstimmig – zur Ansicht, dass alle vier unmittelbar an der vorsätzlichen Tötung des 31-jährigen Djafaar H. beteiligt waren. Sie hatten diesem dem erstinstanzlichen Urteil zufolge am 20. April 2023 an der U-Bahn-Station Jägerstraße in Wien-Brigittenau aufgelauert und ihn mit einer 70 Zentimeter langen Machete und Messern attackiert, nachdem er mit einem Pfefferspray besprüht und somit außer Gefecht gesetzt worden war. Das Opfer hatte aufgrund der Vielzahl der ihm beigebrachten Verletzungen und des daraus resultierenden Blutverlusts de facto keine Überlebenschance.
„Blutrache darf es bei uns nicht geben!“
Im Laufe des letzten Prozesstages ging Staatsanwältin Iris Helm mit den Angeklagten hart ins Gericht. In ihrem Schlussplädoyer forderte sie Strafen „am oberen Ende“ und für den Hauptangeklagten lebenslange Haft: „Blutrache darf es bei uns nicht geben!“ Der 22 Jahre alte Hauptangeklagte bat um ein mildes Urteil, die Rechtsvertreterinnen der Mitangeklagten um Freisprüche.
„Ich möchte Ihnen nicht noch einmal diese ganze Horrorgeschichte erzählen“, begann die Staatsanwältin ihren Schlussvortrag. Die Angeklagten seien „wie Brüder“ und hätten sich daher gemeinsam dazu entschlossen, den 31-jährigen Djafaar H. am 20. April 2023 zu töten, fasste Helm zusammen: „Wenn die Ehre oder der Respekt von nur einem der Brüder verletzt wird, gibt es nur eines: Blutrache. Genau das haben sie gemacht.“ Die vier Algerier hätten das Opfer „in einen Hinterhalt gelockt“ und mit einer Machete und Messern angegriffen, bis der 31-Jährige „zerstückelt da gelegen ist“.
Die Versionen, die die Angeklagten bei Gericht dargetan hätten, seien absolut unglaubwürdig, betonte die Anklägerin: „Ich bin in meiner Laufbahn noch nie so viel und so schlecht angelogen worden. Es hat mir teilweise weh getan. Alle vier haben uns frech angelogen und für dumm zu verkaufen versucht.“
Hauptangeklagter schilderte verdrehte Tatsachen
Der Hauptangeklagte hatte in der Schwurverhandlung zugegeben, dem Opfer eine Machete zweimal auf den Kopf geschlagen zu haben – allerdings nur, nachdem er von seinem Kontrahenten angegriffen worden sei. Die Mitangeklagten hätten nichts gemacht, hatte der 22-Jährige versichert. Djafaar H. habe ihren Mandanten „beschimpft, erniedrigt, beleidigt“, sagte nun Elisabeth Mace, die Rechtsvertreterin des 22-Jährigen, am Ende des Verfahrens. Ihr Mandant sei „völlig außer sich und sehr angespannt gewesen“. Das Beweisverfahren habe ja ergeben, „dass das Opfer ein gefährlicher Verbrecher und Teil einer kriminellen Vereinigung war, die von Algerien aus Drogen verkauft hat“, merkte die Anwältin an.
Zuvor hatte Gerichtsmediziner Wolfgang Denk dargelegt, wie der 31-jährige Djafaar H. am 20. April 2023 in Wien zu Tode gebracht wurde. Der Mann habe „eine Vielzahl von Verletzungen“ erlitten, die ihm „mit scharfen Klingen“ und „mit großer Kraft“ zugefügt wurden, erläuterte der Sachverständige. Die geringen Abwehrverletzungen sprächen für einen „überwältigenden Angriff“ von mehreren Personen.
Die Angeklagten kannten das Opfer seit Längerem. Alle fünf stammen bzw. stammten aus Constantine, mit knapp 450.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Algeriens, und hatten mangels beruflicher Perspektiven ihre Heimat Richtung Europa verlassen. Djafaar H. war laut Anklageschrift in eine länderübergreifende Suchtgiftorganisation eingebunden, drei Angeklagte sollen für ihn in Wien als sogenannte Streetrunner gearbeitet und Drogen verkauft haben. Bei der Abrechnung soll es zu Unstimmigkeiten gekommen sein, die Beschuldigten – vor allem der 22-Jährige – fühlten sich übers Ohr gehauen und kamen laut Anklageschrift „überein, ihre Probleme mit Djafaar H. endgültig gewaltsam zu lösen“.
Zwölf Stunden um das Leben des Opfers gekämpft
Während der Zweitangeklagte schon zu Beginn der dreitägigen Hauptverhandlung zugegeben hatte, dem 31-Jährigen mit einer Machete auf den Kopf geschlagen zu haben, bestritten die drei weiteren Angeklagten, an den inkriminierten Tathandlungen beteiligt gewesen zu sein. Dem widersprach nun Gerichtsmediziner Denk insofern, als er im Großen Schwurgerichtssaal anmerkte, das Verletzungsbild deute auf mehr als eine angreifende Person hin.
Laut Gutachten kam Djafaar H., nachdem er zu Boden gebracht worden war, in Bauchlage zu liegen. Dann wurde mit den Tatwaffen gegen seine Extremitäten vorgegangen, was ihn bewegungsunfähig machte. An den Beinen wurden ihm sieben Hiebwunden zugefügt, die die Muskulatur fast ganz zerstörten und beide Wadenbeine durchtrennten. Weitere Hiebe wurden gegen den linken Unterschenkel, die linke Hand und gegen den Kopf gesetzt, was zwei klaffende Wunden im Stirnbereich und einen Schädelbruch bewirkte.
Erstaunlicherweise konnten die Rettungskräfte den Schwerverletzten nach dem Eintreffen am Tatort noch reanimieren. Der Mann, der sich laut Denk in einer „umfänglichen Blutlache“ befand, wurde danach in eine Klinik gebracht, dort notfallmedizinisch versorgt und im Anschluss in eine weitere, auf Gefäßchirurgie spezialisierte Klinik überstellt, wo er auch Kreislauf stützende Medikamente bekam. Zwölf Stunden kämpften die Ärzte um das Leben des 31-Jährigen – diesem wurde sogar noch eine abgebrochene Klinge aus einer Wade herausoperiert –, ehe der Mann infolge des erlittenen massiven Blutverlustes an einem Herz-Kreislauf-Versagen verstarb.