Nachdem eine 14-Jährige in Wien-Simmering vor einer Woche mit Arzneimitteln im Blut tot aufgefunden wurde, steht Drogenmissbrauch im Raum. Die Sucht- und Drogenkoordination der Stadt weist auf eine Zunahme beim Gebrauch von Benzodiazepinen – oft zusammen mit Alkohol – unter Jugendlichen hin. Dennoch sei der Fall des Mädchens ein „tragischer Ausnahmefall“. Daniel Lichtenegger vom Bundeskriminalamt ist dagegen alarmiert. Er plädiert für eine Vereinfachung der Gesetze.

Man habe nun eine eigene Taskforce sowie eine Arbeitsgruppe eingerichtet, sagt Ewald Lochner, der Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien zur APA. Die Taskforce führe nach Todesfällen in Zusammenhang mit Drogenmissbrauch Fallanalysen durch und ziehe daraus Rückschlüsse für die Zukunft, die Arbeitsgruppe befasse sich vor allem mit Benzodiazepinen, also verschreibungspflichtigen Beruhigungs- und Schlafmitteln.

„Benzos“ werden mit anderen Substanzen gemischt

Ein Anstieg des Konsums illegaler Substanzen sei nicht feststellbar, sagt Lochner. „Aber seit Corona gibt es eine zunehmende Menge von jungen Menschen, die solche Benzodiazepine teilweise vermischt mit anderen Substanzen und teils sehr eskalativ konsumieren.“ Vor allem in diesem Bereich werde bei Teenagern eine problematische Entwicklung beim Konsumverhalten registriert. „Sie konsumieren sehr viel, sehr schnell und unterschiedliche Substanzen.“

Die Folge? „Wir registrieren zudem, dass in der Vergangenheit vermehrt Jugendliche mit Intoxikationen eingeliefert wurden.“ Die Wiener Berufsrettung spricht gegenüber der APA von mehr als einer Verdreifachung der Einsätze im Zeitraum von 2018 bis 2023 bei unter 18-Jährigen mit Drogenintoxikationen (Alkohol und Medikamente ausgenommen). So seien vor sechs Jahren nur 75 Ausrückungen wegen einer Vergiftung mit Drogen angefallen, hieß es. 2023 registrierte die Rettung dagegen 231. Oft seien bereits psychische Vorerkrankungen bei diesem Teil der Jugendlichen vorhanden, sagt Lochner. „Immer wieder ist auch die Kinder- und Jugendhilfe bereits involviert“, so der Experte. Die Gründe dafür seien nicht nur in den von Krisen geprägten vergangenen Jahren zu suchen. „Jugendliche haben zudem eine höhere Risikobereitschaft.“

Erhöhte Risikobereitschaft

Das bestätigt auch Daniel Lichtenegger, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität im Bundeskriminalamt. Er weist jedoch auch auf zahlreiche Baustellen hin. „Es gibt heutzutage Youtube-Kanäle, die zeigen, wie man am besten konsumiert oder Drogen herstellt. Das kann es nicht sein, da greife ich mir an den Kopf“, sagt der Spitzenbeamte.

Das Problem rund um „Benzos“ ist ihm bestens bekannt. „Wenn ich sehe, was junge Menschen heutzutage für Medikamente verschrieben bekommen, halte ich das für sehr bedenklich“, so der leitende Polizist, der auch die Rolle des Drogenkoordinators im Innenministerium bekleidet. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die sogenannten Privatrezepte – „ein großes Thema“. Der Polizist betont: „Speziell aufgrund der Mischintoxikationen wären hier Änderungen notwendig.“ Er verweist auf verschiedene gesetzliche Grundlagen für diese Art von Wirkstoffen.

Laut dem im August publizierten Lagebericht des Bundeskriminalamts ist die Zahl der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz gegen Jugendliche von 2021 auf 2022 nur geringfügig um 1,8 Prozent angestiegen. „Jedoch ist das Dunkelfeld sehr hoch, deswegen sind die reinen Anzeigezahlen mit Vorsicht zu genießen“, so Lichtenegger. Er verweist – nicht ohne Kritik – auf rund 35.000 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz, die 2022 österreichweit erstattet und an die Behörden der Länder übermittelt worden seien. „Aber nur ein kleiner Bruchteil wurde überhaupt gesundheitlich begutachtet“, sagt Lichtenegger. „Ich will, dass die Polizei im Bereich der Drogenthematik ernst genommen wird. Wir sind ja keine Marionetten.“