Die offenbar überraschende Schließung des Wiener Lorenz-Böhler-Krankenhauses hat am Montag weiter für viel Kritik gesorgt. Die Ärztekammer für Wien forderte einen vorübergehenden Stopp der Pläne der AUVA-Generaldirektion und plädierte für einen Runden Tisch unter der Leitung von Bürgermeister Michael Ludwig (SP). Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sprach am Rande einer Pressekonferenz von einer „suboptimalen Kommunikation, um es vorsichtig zu formulieren“.
Die AUVA beschloss demnach, dass in dem mehr als 50 Jahre alten Gebäude des AUVA-Traumazentrums Wien-Brigittenau, dem ehemaligen UKH Lorenz Böhler, bau- und brandschutztechnische Maßnahmen nötig seien, „die nicht im laufenden Betrieb umsetzbar sind“. Die stationären Leistungen würden deshalb bis Jahresende im Traumazentrum Meidling und im AKH Wien erbracht. Eine Erstuntersuchungsambulanz für selbstkommende Patientinnen und Patienten bleibe in Brigittenau bestehen.
Unerwartete Schließung
Nach derzeitigem Informationsstand kam dieser Beschluss der Ärztekammer zufolge allerdings „völlig unerwartet“. Sogar die Stadtpolitik sei in die Beschlüsse nicht eingebunden gewesen. Laut dem Wiener Fachgruppenvertreter der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie, Heinz Brenner, wurde am Montag bis elf Uhr tatsächlich keine der 17 geplanten Operationen mehr durchgeführt. Das Personal des Spitals, das ebenfalls überrascht wurde, hielt am Vormittag eine Betriebsversammlung ab. „Die Ärztinnen und Ärzte wollen weiter arbeiten, sie wollen weiter den Menschen helfen“, sagte Brenner der APA.
Auch das AKH, das nun einen Teil der Operationen übernehmen soll, wurde „erst vor wenigen Tagen informiert“, wie Markus Grimm, Leiter der Abteilung Recht der MedUni Wien, dem alleinigen Dienstgeber des ärztlichen Personals im AKH, der APA sagte. Bemerkenswert sei zudem, dass die Brandschutzprobleme, wegen derer das Spital nun geschlossen wird, bereits seit 2014 bekannt waren.
Das AKH soll offenbar nicht nur Operationen, sondern auch Teile des medizinischen Personals übernehmen, was gehörige arbeitsrechtliche Probleme mit sich bringt. Offen sind dienstrechtliche, formal-organisatorische Fragen sowie die Themen Leitungsfunktionen und Zusammenarbeit. Grimm betonte, dass für ein geordnetes Vorgehen eine Vorlaufzeit von „mehreren Monaten notwendig gewesen wäre“.
Im AKH war auch noch nicht klar, wie es die zusätzlichen Operationen stemmen soll, da es selbst unter einem eklatanten Pflegekräftemangel leide. Dieser dürfe durch die Beschlüsse der AUVA jedenfalls „nicht weiter verschlechtert werden“, wie es hieß.
Zwischen den Zeilen
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) versuchte am Rande einer Pressekonferenz, Klarheit in die etwas verworrene Lage zu bringen: Vor der Schließung des Spitals habe es sehr wohl Gespräche mit dem AKH gegeben, dieses habe Angeboten, der AUVA frei stehende OP-Säle zur Verfügung zu stellen. Geplant sei nun, dass die Teams des Lorenz-Böhler-Spitals „eins zu eins“ diese Räumlichkeiten für ihre Operationen nutzen – aber nicht ihren Arbeitgeber wechseln. Deshalb sei auch die MedUni nicht eingebunden gewesen, da sie als Dienstgeber der Ärzte im AKH von den Plänen nicht betroffen ist.
Gesundheitsminister Rauch sah eine „suboptimale Kommunikation“. Sein Ministerium hätte den Beschluss aber nicht verhindern können, da es als Aufsichtsratsbehörde lediglich überprüfen kann, ob ein Beschluss etwa der Rechts- oder Zweckmäßigkeit entspricht.
Die erste Vizepräsidentin und Kurienobfrau der angestellten Ärztinnen und Ärzte der Ärztekammer für Wien, Natalja Haninger-Vacariu, warnte ebenfalls davor, die Schließung des Spitals ohne Klärung aller offener Fragen durchzuziehen: „Neben der Stadtpolitik war auch die Spitalsleitung nicht in die Planungen der Trägerorganisation eingeweiht. So kann man das nicht machen. Die Gefahr, dass das im Chaos endet und die Wiener Patientenversorgung gefährdet wird, ist groß. Eine mit der überhasteten Schließung einhergehende Verschiebung zahlreicher Operationen ist für die Patientinnen und Patienten nicht tragbar, solange nicht vollständig geklärt ist, ob die Kapazitäten überhaupt aufgefangen werden können. Zudem besteht die berechtigte Sorge, dass die für die Unfallchirurgie so wichtigen, eingespielten Teams auseinandergerissen und willkürlich auf zwei unvorbereitete Häuser aufgeteilt werden.“
Konfliktlösung und Zukunftsplanung
Dem Ärztekammerpräsidenten und der Vizepräsidentin und Kurienobfrau der angestellten Ärztinnen und Ärzte der Ärztekammer zufolge brauche es zur Klärung der offenen Fragen einen Runden Tisch unter Leitung von Bürgermeister Ludwig und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SP). Bis dahin solle die Trägerorganisation von der Umsetzung etwaiger Schließungs- und Übersiedlungspläne Abstand nehmen. Teilnehmen sollten neben der Stadtpolitik die AUVA-Führung, der Betriebsrat und die ärztliche Leitung des Lorenz-Böhler-Krankenhauses sowie die Ärztekammer für Wien.
„Die ÖVP-Politik für Großspender kommt die Patienten und Patientinnen teuer zu stehen“, meinte SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler. Statt der versprochenen Patientenmilliarde habe die schwarz-blaue Krankenkassenreform nur einen Zweck gehabt: nämlich eine Arbeitgeber-dominierte Mehrheit in allen Selbstverwaltungsorganen. Seit über zehn Jahren sei bekannt, dass das Gebäude im Eigentum des Bundes bzw. der AUVA brandschutztechnisch saniert werden müsse. Getan wurde nichts. „Jetzt geht es darum, so rasch wie möglich die beste Lösung für die Patientinnen und Patienten und für die Beschäftigten des Spitals zu finden. Dass die Stadt Wien einspringt, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, zeigt, dass es einen Unterschied macht, wer regiert“, so Babler.
Die FPÖ kritisierte Gesundheitsminister Rauch. „Weder der Pflegenotstand, Ärztemangel oder das Wohl der Patienten können ihn zu einer Arbeitsleistung oder gar Entscheidung anregen“, so Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. Als neues Beispiel diene nun das Lorenz-Böhler-Krankenhaus, „dessen bauliche Mängel jahrelang bekannt waren und das nun vor der Schließung steht“, so Kaniak.