Klimadebatte, Streit um eine geschlechtergerechte Sprache oder heftige Auseinandersetzungen um parteipolitische Präferenzen: Häufig entsteht der Eindruck, dass die österreichische Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet und die Spaltung im Land zunimmt. Wissenschaftliche Daten zeigen jedoch: Diese Wahrnehmung ist ein Trugschluss.
Keine zunehmende Polarisierung
Der Soziologe Thomas Lux von der Berliner Humboldt-Universität hat die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger über Jahre hinweg verglichen und kommt zu dem Schluss: Wir wachsen immer mehr zusammen. „In den letzten 30 Jahren können wir keine zunehmende Polarisierung beobachten, in den meisten Bereichen sind die Werte gleich geblieben, in anderen sind wir liberaler geworden“, sagte Lux bereits im Dezember im Ö 1-Mittagsjournal.
Am Montag wurde sein Kollege Steffen Mau in der ZiB 2 interviewt. Er bestätigte die Ergebnisse und macht unter anderem Medien und Parteien dafür verantwortlich, dass die Gesellschaft zum Teil polarisierter erscheint, als sie tatsächlich ist. So sei eine große Mehrheit der Bevölkerung der Meinung, dass geregelte Migration zu begrüßen sei, während illegale Migration bekämpft werden müsse.
„Wir sehen aber, dass einige politische Parteien das Bild eines befürchteten Kontrollverlusts des Staates nutzen und hier Potenzial haben“, sagt Mau. Eine rote Linie zögen die Menschen hingegen beim Thema Gendern. Viele seien der Meinung, dass die Gleichstellung von Mann und Frau außer Diskussion stehe, aber „Sprache wird als etwas Gewohntes wahrgenommen und sollte nach Meinung vieler nicht vom Staat verändert werden“, sagt Mau. Das sei ähnlich wie bei den Klimaanlagen, die „als Belastung empfunden werden“. An der Erkenntnis des Problems ändere das nichts.
Viel Konsens
Eine Studie des Foresight-Instituts zeigt, dass die Polarisierung in Österreich in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat. Sowohl die Stadt-Land-Thematik als auch die Einkommensunterschiede sind nicht mehr so stark wie früher. Bei letzteren wünscht sich die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher mehr Umverteilung, als derzeit von der Politik betrieben wird.
Die großen Reibungspunkte im Land sind aber nach wie vor parteipolitische Überzeugungen. Vor allem eine Koalition aus ÖVP und FPÖ würde das Land nach wie vor polarisieren. Dies habe sich seit der ersten schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 nicht wesentlich geändert.