Die Reifeprüfung umfasst sieben Teilprüfungen, drei davon sind für die angehenden Maturant:innen an den Gymnasien verpflichtend: die Klausuren aus Deutsch und Mathematik sowie die VWA. Viele Schüler:innen der Maturaklassen werden auch heuer in den Semesterferien durcharbeiten, denn spätestens am 1. März müssen sie ihre Arbeiten im neuen ABA-Portal hochladen. Der Stress im Endspurt ist groß und wird von Jahr zu Jahr belastender.
Meine Kolleg:innen werden mir beipflichten: Es ist eine Bereicherung für Lehrer:innen VWA-Kandidat:innen zu betreuen, die für „ihr“ Thema brennen, die das Beratungsgespräch suchen, die Anregungen kritisch hinterfragen und sich im wissenschaftlichen Arbeiten erproben wollen. Um diese Arbeit darf man uns Lehrer:innen beneiden. Das Potential an Schaffensfreude, Intellekt und Kreativität, das da sichtbar wird, stimmt zuversichtlich. Da formiert sich eine junge Generation, die Führungsaufgaben in allen Bereichen unseres Zusammenlebens gewachsen sein wird, junge Menschen, die wissen, wovon sie reden und die bereit sein werden Verantwortung zu übernehmen.
Mir tun jene Schüler:innen in unseren Maturaklassen leid, die bei der Recherchearbeit bislang kaum über das Zusammenkopieren von Internettexten hinausgekommen sind und daher, knapp zwei Wochen vor der Deadline, kein Kapitel fertig haben. Seit dem Einreichen des Themas und der Disposition ist ein Jahr vergangen. Sie haben aufgeschoben und aufgeschoben. Selten, weil sie „Schule“ nicht ernst nehmen, fast immer, weil sie sich überfordert fühlen, und weil sie sich nach der Matura weder auf der Uni noch sonst wo wissenschaftlich arbeitend verorten. Die Zahl derer, die im Haupttermin an der VWA scheitern, wird jedes Jahr größer.
Engagierte Lehrer:innen frustriert das, genauso wie der soziale Aspekt, der die VWA zunehmend überschattet. Das Nutzen von Ressourcen im familiären Umfeld oder zugekaufte „professionelle Unterstützung“ sichtbar zu machen, ist arbeitsintensiv und fordert uns um faire Beurteilung bemühte Lehrer:innen seit 2014. Und ChatGPT setzt genau da eins drauf!
Dem Einsatz von KI im Rahmen der VWA kann ich einiges abgewinnen. Da eröffnen sich durchaus interessante Lernfelder. Fakt ist aber, dass so die Überprüfung eigenständigen Arbeitens deutlich erschwert, wenn aktuell nicht gar verunmöglicht wird.
ChatGPT sehe ich bestenfalls als Anstoß, keinesfalls als Ursache für die längst fällige Diskussion der Sinnhaftigkeit der verpflichtenden VWA. Recherchieren, Zitieren und Quellenkritik werden in vielen Fächern trainiert. Zusätzlich gibt es an allen Gymnasien Angebote zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten. Alle Schüler:innen haben ausreichend Möglichkeiten sich damit vertraut zu machen. Den Zwang zur VWA braucht es dazu nicht, eine freie Wahl wäre vernünftiger!
Die Diskussion um die Abschaffung der vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) am Gymnasium und deren mögliche Ersetzung durch eine weitere Prüfung ist ein Thema, das viele Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte sowie bildungspolitische Entscheidungsträgerinnen und -träger aktuell beschäftigt.
Die Bedeutung der VWA für die schulische und persönliche Entwicklung der Jugendlichen steht außer Frage. Wir als Bundesschülervertretung (BSV) haben uns bereits zu diesem Vorschlag geäußert und stehen einer Abschaffung kritisch gegenüber.
Die VWA stellt eine einzigartige Möglichkeit für Schülerinnen und Schüler dar, um umfangreiche Kompetenzen zu erwerben, die weit über das klassische Schulwissen hinausgehen. Sie fördert nicht nur die Fähigkeit zur selbstständigen wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch die Entwicklung von Zeitmanagement, Eigenverantwortlichkeit und Präsentationsfähigkeiten. Diese Kompetenzen sind nicht nur für die akademische Laufbahn von Bedeutung, sondern auch für die persönliche Entwicklung und die spätere Berufswelt.
Ein weiteres zentrales Argument gegen die Abschaffung ist die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Bildung. Die Bundesschülervertretung sieht in der KI eine Hilfestellung, die das Potenzial hat, die Qualität der VWA zu fördern, indem sie bei Satzstellungen, Schreibblockaden unterstützt.
Solange die KI die eigenständige Arbeit der Schülerinnen und Schüler nicht ersetzt, sollte die Nutzung dessen nicht als negativ angesehen werden. Damit diese Grundlage geschaffen werden kann, sollte die Schule die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, KI sinnvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen, um ihre Arbeiten zu verbessern.
Die Frage der Integration von KI in den Bildungsprozess zeigt, dass die Schule auch eine Rolle bei der Vermittlung von Medienkompetenz und dem kritischen Umgang mit neuen Technologien spielen muss. Die VWA bietet eine hervorragende Plattform, um Schülerinnen und Schüler in diesem Bereich zu schulen und ihnen die Fähigkeiten an die Hand zu geben, die sie in einer zunehmend digitalisierten Welt benötigen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die vorwissenschaftliche Arbeit ein unverzichtbarer Bestandteil der Ausbildung einer AHS ist, der den Schülerinnen und Schülern nicht nur wertvolle Kompetenzen für ihr weiteres Leben vermittelt, sondern sie auch auf die Herausforderungen einer von KI geprägten Zukunft vorbereitet.
Eine Abschaffung würde diese Möglichkeiten negieren und könnte die Qualität der Bildung insgesamt beeinträchtigen. Daher ist es von großer Bedeutung, dass alle Beteiligten die Wichtigkeit der VWA erkennen und sich für deren Beibehaltung einsetzen.