Ein Rascheln an der Tür, der Boden knarzt. Mitten in der Nacht Geräusche zu hören und zu bemerken, dass Fremde versuchen einzubrechen, ist eine echte Horrorvorstellung. Passiert es tatsächlich, wie bei einem Ehepaar in der Nacht auf Mittwoch im niederösterreichischen Würnitz, ist eine schnelle Reaktion gefragt. In diesem Fall schnappte sich der 71-jährige Hausbesitzer seine Waffe und schoss einen der drei Einbrecher an, nachdem diese bereits seine 50-jährige Ehefrau attackiert hatten.

Der Verletzte liegt nun im Spital, der Schütze wurde vorerst festgenommen. Standardprozedur bei einem Einsatz einer Schusswaffe. Sollte sich herausstellen, dass der Mann in Notwehr gehandelt hat, muss er mit keinen rechtlichen Konsequenzen rechnen.

Doch was fällt in Österreich eigentlich alles unter Notwehr, vor allem, wenn eine Schusswaffe zum Einsatz kommt?

Darf man eine Schusswaffe verwenden, um sich zu verteidigen?

„Grundsätzlich ja“, bestätigt der Grazer Strafverteidiger Gerald Ruhri im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Es wäre auch nicht notwendig, zunächst einen Warnschuss abzugeben, wenn konkrete Gefahr bestehe. Auch mehrere Schüsse auf einen Angreifer sind, wenn die Umstände dies erfordern, noch rechtens im Sinne der Notwehr. „Ich dürfte dem sogar in den Kopf schießen, wenn es die einzige Möglichkeit ist“, stellt der Jurist klar. Ganz zentral ist dabei jedoch immer, ob die getroffene Maßnahme noch angemessen war.

Ruhri führt ein fiktives Beispiel an: „Angenommen, ein kräftiger Zwei-Meter-Mann wird Opfer eines Einbruchs und steht gegenüber einer schmächtigen Frau, die unbewaffnet ist. Er dürfte dann nicht auf sie schießen, da er sich in diesem Fall auch weniger radikal verteidigen könnte.“

Im konkreten Fall in Niederösterreich würde der Strafverteidiger mit dem bisher aus den Medien bekannten Informationen den Schusswaffengebrauch als angemessen einstufen. „Aber natürlich muss noch anhand der Anzahl der Schüsse und wohin geschossen wurde, überprüft werden, ob es eine Notwehr-Überschreitung gegeben hat“, meint Ruhri. Das Bundeskriminalamt teilte auf Anfrage mit, dass jeder angezeigte Fall im Zuge eines Ermittlungsverfahrens einzeln untersucht wird, um festzustellen, ob eine Notwehr gerechtfertigt war oder es eventuell zu einer Überschreitung gekommen ist.

Wut und Zorn sind keine legitimen Gründe

Für alle Notwehr-Delikte gilt, dass sie aus einem asthenischen Affekt heraus geschehen müssen. Die betroffene Person muss sich in diesem Moment also fürchten beziehungsweise Angst haben. Wut oder Zorn, die zu den asthenischen Affekten gerechnet werden, wären also keine Gemütslage, die eine Reaktion aus Notwehr rechtfertigen. Außerdem gilt, dass übertriebene Notwehr immer nur als fahrlässig gewertet wird, niemals aber als vorsätzlich. Es kann also niemand des Mordes verurteilt werden, der aus Notwehr gehandelt hat, sondern höchstens wegen grob fahrlässiger Tötung.

Wähnt sich eine Person nur in Gefahr und verteidigt sich, ist es aber in Wirklichkeit gar nicht, spricht man von Putativnotwehr. In solch einem Fall muss geklärt werden, ob die betroffene Person die Situation wirklich nicht anders einschätzen hätte können.