Die Regierung hat sich Ende 2023 darauf geeinigt, dass das Justiz-Budget für Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen in Strafverfahren bzw. Verfahrenseinstellungen auf 70 Millionen Euro erhöht wird. Der Fall eines 64-Jährigen zeigt, dass es darüber hinaus eine angemessene Haftentschädigung bräuchte. 582 Tage verbrachte der Mann in U-Haft, um am Ende rechtskräftig vom Betrugsverdacht freigesprochen zu werden. Dafür bietet die Republik eine Wiedergutmachung in Höhe von 14.250 Euro.
„Quasi-Vernichtung seiner Existenz“
Für Michael Dohr, den Rechtsvertreter des Betroffenen, ist das Angebot der Finanzprokuratur „ein gutes Beispiel, wie die Republik Unschuldige nicht nur nicht rehabilitiert, sondern sogar mit Füßen tritt“. Sein Mandant wurde am 12. Februar 2017 in U-Haft genommen, weil er als Betreiber mehrerer Kindergärten in Wien des Förderbetrugs verdächtigt wurde. Am 17. September 2018 wurde er enthaftet, im Mai 2023 schließlich von sämtlichen Vorwürfen rechtskräftig freigesprochen. „Er ist somit 20 Monate unschuldig im Gefängnis gesessen. Er hatte darüber hinaus einen namhaften Verdienstentgang sowie Anwaltskosten vor der Hauptverhandlung. Außerdem hat er einen schweren Schlaganfall in einer Verhandlung erlitten und war daher auch in Rekonvaleszenz“, hält Dohr fest. Dass die Republik Österreich „für die Quasi-Vernichtung seiner Existenz“ nun knapp 24,5 Euro pro Hafttag als Entschädigung bietet, sei „ein Schlag ins Gesicht für jeden rechtschaffenen Bürger“. Für die Schließung seiner Kindergarten-Vereine, in die der Mann eigenes Vermögen eingebracht habe, sei sein Mandant gar nicht entschädigt worden, Verdienstentgang aufgrund der U-Haft sei ihm nicht zugestanden worden.
Wer in Haft genommen wird und in weiterer Folge überhaupt nicht angeklagt oder am Ende freigesprochen wird, kann hierzulande nach dem strafrechtlichen Entschädigungsgesetz derzeit mit einer Wiedergutmachung von 20 bis 50 Euro für jeden einzelnen im Gefängnis verbrachten Tag rechnen. In Deutschland sind dagegen für jeden angefangenen Tag der Freiheitsentziehung 75 Euro vorgesehen. Auch andere EU-Staaten haben höhere Entschädigungssätze, wenn jemand nachgewiesenermaßen zu Unrecht im Gefängnis landet.
Zadic verweist auf Erhöhung des Budgets
Zuletzt hat Dohr einen 48-Jährigen Mann vertreten, der wegen angeblicher Beteiligung an einem Mordkomplott 18 Monate in U-Haft verbrachte und zwischenzeitlich sogar zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, ehe sich am Ende seine Schuldlosigkeit herausstellte und er rechtskräftig freigesprochen wurde. „Ihm wurde seine wirtschaftliche Existenz genommen“, sagte Dohr dazu gegenüber der APA. Dafür habe die Republik den Betroffenen entsprechend zu entschädigen „und in dieselbe wirtschaftliche Situation zu versetzen, in der er sich befunden hat, bevor er in Haft genommen wurde“.
Dass der Verteidigerkostenersatz in vielen Fällen nicht die tatsächlichen Kosten der anwaltlichen Vertretung abdeckt, ist seit langem bekannt. Namhafte Anwälte und die Rechtsanwaltskammer haben seit Jahren darauf hingewiesen und eine Gesetzesänderung verlangt. Der im Mordverfahren freigesprochene 48-Jährige kann maximal mit der Erstattung von 10.000 Euro rechnen, was nicht annähernd die Kosten seiner Verteidigung trägt, die unter anderem zwei mehrtägige Hauptverhandlungen vor einem Schwurgericht umfasst hat. Dasselbe gilt für den 64-jährigen ehemaligen Kindergarten-Betreiber, dem die Finanzprokuratur für die anwaltliche Vertretung in einem insgesamt siebenjährigen Verfahren einen Betrag von 3.714,06 Euro bietet. „Eine lachhafte Summe. Das ist ein Hohn“, wie sein Anwalt betont.
„Freisprüche und Einstellungen von Strafverfahren konnten nach bisheriger Rechtslage mit teils erheblichen finanziellen Belastungen für die Betroffenen verbunden sein“, räumt Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zum Thema Verteidigerkosten in einer von der APA erbetenen Stellungnahme ein. Genau deshalb erhöhe man jetzt den Verteidigerkostenersatz: „Konkret werden die dafür vorgesehenen Mittel 2024 mehr als verdreißigfacht. Ich freue mich, dass wir damit eine langjährige Forderung der Grünen, die wir auch ins Regierungsprogramm hineinverhandelt haben, umsetzen konnten. Besonders wichtig war mir dabei, dass es künftig auch erstmals einen Beitrag zu den Verteidigerkosten bei Einstellungen geben wird. Dieses neue Gesetz bedeutet eine echte Verbesserung für alle Betroffenen und ist ein Erfolg für unseren Rechtsstaat.“