Die Liga der Menschenrechte hat am Donnerstag ihren Befund für das Jahr 2023 präsentiert und zeigt sich darin besorgt. Menschenrechtsverletzungen hätten in „besorgniserregendem Ausmaß“ zugenommen, betonte deren Präsidentin Barbara Helige. Antisemitismus und Hass seien seit dem Angriff der Hamas auf Israel auch in Österreich auf dem Vormarsch, aber auch fehlende Pressefreiheit, Gewalt an Frauen und die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge geben Grund zur Sorge.
Die Umstände seien mit zwei Kriegsherden in der Ukraine und dem nahen Osten außergewöhnlich. Der Bericht konzentriert sich aber auf Probleme innerhalb Österreichs, und davon gebe es genug, so Helige: „Hass und Verächtlichmachung einzelner Menschen, Volksgruppen, Minderheiten oder Religionsgemeinschaften haben ein Ausmaß erreicht, das Besorgnis bereitet und vielen Menschen Angst macht (...) Es kann nicht sein, dass Menschen Symbole ihres Glaubens verstecken müssen, um sich vor Übergriffen und Attacken zu schützen.“
Kinder ohne Unterstützung
„Höchst unfair“ sei, wie der Staat zwischen Kindern aus Österreich und Geflohenen unterscheide, kritisierte Wolfgang Salm von der Plattform „Gemeinsam für Kinderrechte“, und wiederholte die Forderung nach einer Obsorge ab dem ersten Tag für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Viel zu lange, nämlich oft einige Monate, seien diese in Einrichtungen des Bundes wie jener in Traiskirchen untergebracht. Aus eben solchen Einrichtungen seien im Vorjahr über 11.000 Kinder verschwunden, die meisten davon würden zu Bekannten in andere Länder weiterziehen, aber auch die Gefahr des Menschenhandels sei immens. Mit einem Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode rechnet Salm nicht mehr, umso wichtiger sei eine ordentliche Obsorgeberatung für die Jugendlichen.
Prekär sei die Lage der Medienfreiheit, ergänzte der Kommunikationswissenschafter und Präsident von Reporter ohne Grenzen Fritz Hausjell. Dass die Zahl der gedruckten Tageszeitungen mit Jahresende von vormals 14 auf 12 sinken wird (die „Wiener Zeitung“ wurde bereits eingestellt, mit Jahresende folgt das „Volksblatt“, Anm.) verringere auch die journalistische Vielfalt. „Laut Medienhaus Wien ging in knapp 15 Jahren ein Viertel der journalistischen Arbeitsplätze in Österreich verloren, das allein ist eine enorme Schwächung des Journalismus“, sagte Hausjell. Auch an der Finanzierung hapere es. Eine Lösungsmöglichkeit wären ihm zufolge gemeinsame digitale Vertriebskanäle auf europäischer Ebene auf genossenschaftlicher Basis.
Nicht zufrieden ist er mit dem Gesetzesentwurf zur Informationsfreiheit und dem fehlenden Schutz von Whistleblowern in Österreich. Dazu kämen vermehrt SLAPP-Klagen, also Einschüchterungsklagen bei unliebsamer Berichterstattung, und verbale Angriffe auf Journalisten und Journalistinnen. „Wehren“ sollten sich Medienvertreter gegen den Vorstoß von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die das Zitieren aus dem Akt bei laufenden Ermittlungsverfahren verbieten möchte. „Es sind keine Anfänge mehr, wir sind mitten drin in einer weiteren Schwächung der Pressefreiheit.“
Zu viel Gewalt an Frauen
Eine „ganzheitliche“ Lösung brauche es bei geschlechterspezifischer Gewalt. Jede dritte Frau in Österreich hat in ihrem Leben schon sexualisierte Gewalt erlebt. Ebenso beunruhigend sei die hohe Zahl an Femiziden, betonte Helige. Weiters fordert die Liga „ein Recht auf Wohnen“ sowie die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, wo Österreich nach wie vor säumig sei.
„Prinzipiell Hoffnung“ auf eine Professionalisierung der Ermittlungen bei Fällen von Polizeigewalt bringe die neu eingerichtete Beschwerdestelle, die ab 2024 zu arbeiten beginnen soll. Allerdings stelle sich hier die Frage der Unabhängigkeit: „Die Stelle ist im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) und damit im Innenministerium angesiedelt. Und wer will Polizeigewalt bei einer Stelle melden, die im weiteren Sinne von der Polizei betrieben wird?“ so Helige.