Sie werden „verschwiegen, vertuscht, bagatellisiert“, man selbst wird „isoliert und abgestraft“, sagt Raphaela Scharf. Die Journalistin spricht von Übergriffen in der Medienbranche und sie muss es wissen. Sie hat vor vier Jahren den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und über ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gesprochen. Ein jahrelanger Prozess liegt hinter ihr, weil ihr damaliger Chef und „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner sie nach Vorwürfen gegen ihn fristlos entlassen hat.
Nun ist Scharf gemeinsam mit anderen Frauen aus der Branche dabei, im Rahmen eines Vereins eine Anlaufstelle auf die Beine zu stellen, eine Beratungs- und Kompetenzstelle für Journalistinnen und Journalisten gegen sexuelle Belästigung, Gewalt und Machtmissbrauch. Das sei dringend nötig, sind Scharf und ihre Kolleginnen überzeugt. Angesichts mehrerer #MeToo-Fälle und angesichts der Strukturen in der Branche. „Die Szene ist überschaubar, es herrschen mitunter starre, patriarchale Machtstrukturen und Solidarität fehlt oft“, schildert Juristin Sophie Rendl. Sie hat 2021 die Vertrauensstelle vera* gegen Machtmissbrauch, Belästigung und Gewalt in Kunst, Kultur und Sport mitgegründet. 90 Personen haben sich bisher an die Stelle gewandt.
Viele betroffen
In Deutschland gibt es eine Anlaufstelle für Medienmitarbeitende schon seit Jahren. Die Stelle in Österreich soll „Columna V“ heißen. „Columna bedeutet Säule und Stütze, die Stelle soll also die fünfte Säule in Österreich sein, die dafür sorgt, dass Medien, - die gerne auch als vierte Säule einer Demokratie bezeichnet werden -, ihre Arbeit ungestört tun können“, erklärt Astrid Kuffner, freie Journalistin, die auch am Aufbau mitarbeitet. In einem ersten Schritt wurden Journalistinnen und Journalisten per Online-Umfrage nach ihren Erfahrungen gefragt. Mehr als 220 Fragebögen wurden bisher ausgefüllt. Das Ergebnis: Viele haben schon Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung oder Ähnliches erleben müssen, nahezu jeder kennt zumindest jemanden, der betroffen ist.
„Columna V“ soll bald Unterstützung bieten, rechtliche Beratung, Vernetzung und psychologische Hilfe. Im Raum stehen zum Beispiel auch Schulungsprogramme für Medienhäuser und Leitfäden. Ein Finanzierungsantrag wird gerade erarbeitet. Derzeit werden noch mehr Mitglieder für den Verein hinter der Stelle gesucht.