Der Mann soll sich genau heute vor drei Jahren aus dem Fenster seiner Wiener Wohnung gelehnt und dem Terroristen im tiefsten Wienerisch nachgerufen haben: „Schleich di, du Oaschloch!“
Binnen kürzester Zeit, nachdem ein Islamist vier Menschen in der Wiener Innenstadt getötet und 23 verletzt hatte, verbreitete sich der Satz als Hashtag auf der Plattform Twitter (heute „X“). Die Menschen sind zusammengerückt, der Satz hat sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Das konnten jetzt die Computerwissenschaftlerin Marcella Tambuscio und der Historiker Martin Tschiggerl von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beweisen.
Rund 250.000 Tweets über den Anschlag in den Tagen und Wochen danach haben die beiden Forscher analysiert. Warum genau dieser Hashtag, dieser Satz, so populär wurde? „Er passt so gut, er ist so typisch, man stellt sich den stoisch grantelnden Wiener vor Augen“, vermutet Tschiggerl. Dabei könnte dieser Satz überhaupt gar nie gefallen sein, zwar wollen ihn manche gehört haben, es existiert aber nur ein Video in dem „Oaschloch“ zu hören ist.
Starke Reaktionen in Indien
Was die Forscher noch herausfanden: Islamophobe Aussagen ließen sich auf Twitter kaum finden, positive Narrative überwogen. International war das anders: „Starke, islamfeindliche Reaktionen gab es in Indien“, sagt Tschiggerl. Zunächst dachte er an Bots, aber die Menschen nutzten den Wien-Terror, um den Anschlag in Mumbai 2008 zu thematisieren.
Besonders am „Oaschloch-Hashtag“ sei, dass er sich über Twitter hinaus etwa als Aufdruck auf T-Shirts und noch lange Zeit nach dem Terror niedergeschlagen hat, etwa beim Rücktritt von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, schildert Tschiggerl. Der Historiker hat auch seine eigenen Posts untersucht, er war in der Novembernacht selbst auf Twitter aktiv. „Ich wohne auch nicht allzu weit weg vom Tatort. So eine Art von Nähe habe ich als Historiker auch noch nie erlebt.“