Vergangene Woche ist bekannt geworden, dass eine Patientin nach der Anwendung eines gefälschten Diabetesmittels („Ozempic“) in einem Spital behandelt werden musste. Über ihre Anwälte stellte sie nun klar, dass sie das Medikament nicht online bestellt, sondern von ihrem behandelnden Arzt bekommen hatte. „Sie will, dass andere gewarnt werden, dass sie es über eine legale Quelle bekommen hat“, sagte ihre Juristin der APA. Der Frau geht es mittlerweile wieder gut.

In der Causa ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft Steyr. Es habe bereits sechs Hausdurchsuchungen gegeben, bestätigte Behördensprecherin Julia Rauscher einen Bericht des Ö1-„Mittagsjournal“ am Dienstag. Eine Firma, über die der Vertrieb des Mittels gelaufen sein soll, habe ihren Sitz im Gerichtssprengel Steyr, erklärte sie.

Die Durchsuchungen haben bei Privatpersonen und in Betriebsräumlichkeiten stattgefunden. Über das Ergebnis liege der Staatsanwaltschaft noch kein Bericht vor. Es sei auch nicht klar, ob noch gefälschte Mittel in Umlauf seien. „Wir sind noch ganz am Anfang“, hieß es. Als Geschädigte sei der Staatsanwaltschaft vorerst nur jene Frau bekannt, die den Fall ins Laufen brachte.

Mehrere Patientinnen betroffen

Das Bundeskriminalamt berichtete am Dienstag, es sei „nach der Anwendung gefälschter Produkte bereits zu Gesundheitsgefährdungen gekommen, die ohne sofortige ärztliche Behandlung zum Tode hätten führen können“. Die betroffene Charge wurde von den Personen bei dem in Österreich ansässigen Arzt bezogen, hieß es seitens der Ermittler. Die Spritzen können auf legalem Wege lediglich von Ärzten über Apotheken bezogen werden oder über Ärzte, welche über eine Hausapotheke verfügen. In diesem Falle dürften die Spritzen über einen anderen Weg bezogen worden sein. „Nach derzeitigem Ermittlungsstand könnten noch Bestände der betroffenen Charge im Umlauf sein, beziehungsweise durch andere Ärzte ebenfalls über diesen Weg bezogen worden sein“, warnte das Bundeskriminalamt potenziell weitere Patientinnen und Patienten. Da eine Überprüfung von selbst besorgten Spritzen aus unseriösen Quellen nicht möglich ist, sollten diese entsorgt werden. Sollte das Arzneimittel von einem Arzt bezogen worden sein, sollten Betroffene umgehend mit diesem Kontakt aufnehmen, so das Bundeskriminalamt.

Allerdings wird erst abgeklärt, ob bei der betroffenen Frau ein Dauerschaden entstanden ist, sagte die Innsbrucker Rechtsanwaltsanwärterin Lisa Holzmann. Sie betonte auch, dass eine „echte Erkrankung bei der Mandantin nie vorgelegen hat“. Die Salzburgerin hat von ihrem Arzt, einem Salzburger Schönheitschirurgen, erstmals im Jänner das Mittel „Ozempic“ zur Gewichtsreduktion erhalten. „Ungeachtet der Tatsache, dass meine Mandantin weder an Diabetes noch an Adipositas noch an einer Begleiterkrankung bedingt durch ihr leichtes Übergewicht leidet, hat ihr ein Facharzt der Schönheitschirurgie das Medikament ‚Ozempic‘ in seiner Praxis zu einem damals bereits sehr hohen Preis verkauft“, heißt es in einer Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei.

Off-Label-Use

Auf der ersten Rechnung sei vermerkt worden, dass die Frau am metabolischen Syndrom mit BMI über 30 leiden würde – fälschlicherweise, so die Kanzlei. „Da meine Mandantin selbst genau Buch führte über ihre Gewichtsreduktionen, weiß sie, dass sie am Vortag des 18. Jänners 2023 einen BMI von nur 27,9 aufwies. Auch sonst litt sie an keiner Begleiterkrankung bedingt durch ihr leichtes Übergewicht. Bereits dieser Off-Label-Use war medizinisch überhaupt nicht indiziert bei meiner Mandantin“, steht im Schreiben.

Unterzuckerung und Krampfanfall

Mehrmals soll die Frau das richtige Medikament erhalten haben, bis ihr am 12. September das "mutmaßlich gefälschte Arzneimittel" übergeben wurde. Am 20. September landete die Frau mit einer Unterzuckerung und einem Krampfanfall im Krankenhaus. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) informierte vergangenen Donnerstag darüber, dass diese schwerwiegenden Nebenwirkungen ein Indiz dafür sind, dass in dem Produkt fälschlich Insulin anstelle des Wirkstoffs Semaglutid enthalten war. Laut der Rechtsanwaltskanzlei hatte die Frau zum Zeitpunkt der Einnahme einen BMI von 26. Man könne von Glück sprechen, "dass sie das überlebt hat", sagte die Juristin im Gespräch mit der APA. Der Preis für das Mittel habe sich zuletzt auch verdoppelt, berichtete sie. Fast 500 Euro hätte die Frau pro Packung dafür bezahlt.

Nicht von Rückruf informiert

Nach dem Krankenhausaufenthalt wurde die Salzburgerin laut Rechtsvertretung sowohl vom Arzt als auch dessen Zulieferer „ständig kontaktiert“. Der Zulieferer berichtete, dass er das Produkt am 6. September dem Arzt geliefert und zwei Tage später einen Rückruf initiiert habe. „Da meine Mandantin aber überhaupt nicht von ihrem Arzt und auch nicht von seinem Zulieferer umgehend über einen Rückruf informiert wurde, wird meine Mandantin nunmehr sämtliche ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel im zivil- und strafrechtlichen Sinn ausschöpfen und möchte mit dieser medialen Richtigstellung insbesondere andere Personen warnen, denen möglicherweise auch über eine legale Quelle, nämlich über die Konsultation bei einem Arzt, dieses höchstwahrscheinlich gefälschte Medikament ausgehändigt wurde“, wurde in der Stellungnahme betont. Die Frau hat sich dem Strafverfahren auch als Privatbeteiligte angeschlossen. Das BASG betonte bereits vergangene Woche, dass es keine Hinweise gebe, dass die gefälschten Produkte von legalen Apotheken an Patientinnen und Patienten abgegeben wurden.

Das rezeptpflichtige Arzneimittel „Ozempic“ enthält den Wirkstoff Semaglutid und ist für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Der Wirkstoff Semaglutid in „Ozempic“ kann auch als Mittel gegen starkes Übergewicht eingesetzt werden. Auch der Hersteller Novo Nordisk hatte bereits mitgeteilt, dass es einen deutlichen Anstieg an illegalen Online-Verkäufen gebe. Es kam durch die zweckfremde Verwendung bereits zu einer begrenzten Verfügbarkeit von „Ozempic“ für Diabetikerinnen und Diabetiker.