Die Wiener Polizei hat am Sonntag eine Person ausforschen können, die beim Herunterreißen der israelischen Fahne am Wiener Stadttempel beteiligt war. Die Aktion war für ein Handyvideo inszeniert und auf die Plattform TikTok gestellt worden. Der Objektschutz für die Hauptsynagoge wurde ausgeweitet, sie wird nun rund um die Uhr bewacht, wie es in einer Aussendung der Wiener Polizei hieß. Bekannt geworden war der Vorfall Samstagabend durch ein TikTok-Video. Darauf zu sehen ist, wie eine junge Person auf den Schultern eines weiteren die Fahne herunterreißt. Eine junge Frau, die daneben steht, imitiert ein Maschinengewehr.
Laut Polizei wollte ein Zeuge des Vorfalls die Frau anhalten. Bei dem Versuch soll er von mehreren unbekannten Personen davon abgehalten und von einem Mann geschlagen worden sein. Dadurch wurde er im Gesicht verletzt. Am Sonntag konnte bereits eine Tatverdächtige ausgeforscht worden, teilte die Polizei mit. Die 17-Jährige mit österreichischer Staatsbürgerschaft zeigte sich laut Aussendung der Polizei geständig zur Sachbeschädigung, bestreitet jedoch die Vorwürfe von Verhetzung. Sie gab an, stark alkoholisiert gewesen zu sein und die anderen Personen, die sie motiviert hatten, erst kurz davor kennengelernt zu haben. Die Jugendliche wurde auf freiem Fuß angezeigt.
Die Flagge wurde durch inzwischen alarmierte Beamte sichergestellt. Sie hängt auch wieder an der Fassade. Sie sei im Gedenken „an mehr als 1.400 Ermordete und 200 Verschleppte gehisst“ worden, schrieb Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) auf der Plattform X (Twitter).
Die Polizei reagierte am Sonntag mit einer Presseaussendung auf den Vorwurf, dass der Stadttempel nicht bewacht worden sei. Der Fokus lag auf dem Schutz von Menschen, die sich während der Gebets- und Öffnungszeiten des Tempels dort aufhalten. Dies sei, so die Polizei, „in Abstimmung mit der Kultusgemeinde“ geschehen. Allerdings sei nun der Objektschutz auf eine permanente 24-Stunden-Überwachung umgestellt worden, heißt es.
Auch Vandalenakte in Linz, Salzburg und Klagenfurt
Es ist nicht das erste Mal, dass nach dem Angriff der Hamas Anfang Oktober eine aus Solidarität mit Israel aufgehängte Fahne mit dem Davidstern abmontiert wurde. In Klagenfurt wurde am vergangenen Dienstag versucht, die Flagge vor dem Rathaus anzuzünden. Es entstand aber nur ein Brandloch, vom Täter oder der Täterin fehlt jede Spur. In Linz hatten zwei jugendliche Syrer die Fahne am Rathaus zerstört. Ein 14-Jähriger und ein 16-Jähriger waren geständig. Auch in Salzburg, wo vor dem Schloss Mirabell eine Israel-Fahne gehisst wurde, war es zu einem Vandalenakt gekommen. Zwei 14-Jährige konnten ausgeforscht werden.
Die Kultusgemeinde hat mit ihrer Antisemitismus-Meldestelle eine Sonderauswertung für den Zeitraum 7. bis 19. Oktober vorgenommen, die hochgerechnet ein Plus von 300 Prozent zeigen würde. Gezählt wurden ausschließlich jene Vorfälle, die in dieser kurzen Zeit verifiziert werden konnten. In den ersten 13 Tagen seit Beginn des Kriegs wurden insgesamt 76 antisemitische Vorfälle gemeldet. Als Beispiel genannt wird das Einschlagen einer Fensterscheibe eines koscheren Lebensmittelgeschäfts durch einen Arabisch sprechenden jungen Mann.
So gut wie die gesamte politische Spitze des Landes reagierte auf den Vorfall in Wien. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte den Vorfall auf X (Twitter) „aufs Schärfste“. Für Antisemitismus und Israel-Hass sei kein Platz in der Gesellschaft. Er gehe davon aus, dass die Täter rasch ausgeforscht werden.
Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist es „vollkommen inakzeptabel“, dass es in der aktuellen Situation zu einer „derartigen antisemitischen Provokation“ vor dem Wiener Stadttempel gekommen ist. Dies müsse „raschest aufgeklärt“ werden - und „ebenso die offenbar fehlende Bewachung durch Kräfte der Exekutive“.
Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) nannte den Vorfall „einfach gestört“. Eine jüdische Einrichtung anzugreifen und sich auch noch dabei zu filmen, müsse Konsequenzen haben: „Ich erwarte hier eine harte Bestrafung für diesen offenen Antisemitismus.“
Bundesheer bewacht gefährdete Einrichtungen
Das Bundesheer unterstützt die Polizei seit Freitag bei der Bewachung jüdischer Einrichtungen und sonstiger schutzwürdiger Objekte in Österreich. Das erklärte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner in eine Aussendung. Das zusätzliche Personal wird vorrangig durch die Militärpolizei gestellt.