„Ich hatte sehr viel Stress“, hat ein Auto-Rowdy am Mittwoch am Wiener Landesgericht erklärt, weshalb er mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde auf der Südosttangente (A23) einem ihn verfolgenden zivilen Streifenwagen der Polizei zu entwischen versuchte. Bevor er sich am 19. Juli 2023 ans Steuer eines Audi R7 gesetzt hatte - der Wagen gehörte einem Bekannten -, habe er „drei oder vier Nasen“ Kokain genommen, schilderte der 34-Jährige. Er habe „sehr viel Druck“ gehabt.

„Psychotherapie auf der Tangente“

„Das Geschäft ist nicht mehr gegangen, die Freundin habe ich kurz davor auch verloren“, schilderte der Angeklagte einem Schöffensenat seine damalige Ausgangslage. „Aha, Psychotherapie auf der Tangente“, bemerkte daraufhin Richterin Nicole Baczak sarkastisch. Er habe sich „zugekokst“ ein „Katz-und-Maus-Spiel“ mit der Polizei geliefert und damit andere Verkehrsteilnehmer in Lebensgefahr gebracht, beschied Baczak dem Angeklagten.

Sein Mandant sei umfassend zu sämtlichen wider ihn erhobenen Vorwürfen - vorsätzliche Gemeingefährdung, Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt - geständig, erklärte Verteidiger Marcus Januschke: „Er schämt sich.“ Der Autohandel, den der 34-Jährige zuletzt betrieb, habe nicht funktioniert, „falsche Bekannte“ hätten den Mann zum Kokain gebracht. Der Angeklagte sei während der verfahrensgegenständlichen Autofahrt „durch den Kokain-Konsum völlig enthemmt gewesen“, sagte Januschke.

Offenbar zwecks nächtlichen Stressabbaus hatte der 34-Jährige um 23.00 Uhr den Audi R7 in Betrieb genommen. An einer Kreuzung fiel einem Polizisten, der in einem zivilen Einsatzfahrzeug unterwegs war, auf, dass das mehr als 150.000 Euro teure Fahrzeug „laute Auspuffknallgeräusche“ erzeugte, wie der Beamte nun als Zeuge darlegte. Er habe daher eine Fahrzeugkontrolle durchführen wollen. Als der Lenker wahrnahm, dass der Polizist - der Beamte trug Uniform - aus seinem Fahrzeug ausstieg und sich auf ihn zubewegte, sei dieser aufs Gas gestiegen und losgefahren, obwohl die Ampel rot zeigte, gab der Polizist zu Protokoll.

Wilde Verfolgungsjagd durch Hauptstadt

In weiterer Folge entwickelte sich eine wilde Verfolgungsjagd über die Tangente. Der Raser ignorierte das polizeiliche Blaulicht und ein „Bitte folgen!“- Signal, mit dem der Beamte ihn zum Verlassen der A23 aufforderte. Stattdessen drängte er den Polizisten ab, als dieser ihn auf der Praterbrücke überholen wollte, worauf der Beamte ins Schleudern geriet und mit seinem Wagen gegen einen unbeteiligten Pkw krachte, der in der Leitschiene landete. Die vier Insassen des Pkw - darunter zwei Kinder - wurden bei dem Unfall leicht verletzt, der Beamte kam mit ebenfalls leichten Verletzungen noch glimpflich davon.

Ungeachtet des von ihm verschuldeten Unfalls setzte der Raser seine Fahrt bis in den elften Bezirk fort, ehe er dank des Hinweises eines Zeugen, der die Polizei verständigt hatte, im Kreuzungsbereich Leberstraße - Geiselbergstraße in Simmering angehalten und festgenommen werden konnte. Seither befinde er sich in U-Haft und habe einen „kalten Entzug“ hinter sich, meinte der 34-Jährige. Seine Gewerbeberechtigung habe er ebenso verloren wie seinen Führerschein, zudem seien im für seine Raserei bereits Verwaltungsstrafen von insgesamt 10.000 Euro aufgebrummt worden.

Am Ende wurde der Mann in vollem Umfang der Anklage bei einer Strafdrohung von bis zu zehn Jahren zu 24 Monaten Haft verurteilt. Diese bekam er im Hinblick auf sein Geständnis und sein ungetrübtes Vorleben unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Außerdem muss er eine ambulante Drogen-Therapie absolvieren, Bewährungshilfe angeordnet. Der Verteidiger und die Staatsanwältin waren damit einverstanden, das Urteil ist damit rechtskräftig. Der 34-Jährige wurde unmittelbar nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Sein Anwalt hat ihm auch bereits einen neuen Job besorgt: der Mann beginnt als Autoreifen-Monteur zu arbeiten.