Wenn Sophie Passmann spricht, dann schnell. Und wenn sie ein Buch schreibt, dann pointiert. So war es bereits bei ihrem Bestseller "Alte, weiße Männer" und so ist es auch jetzt bei "Pick me Girls", das heute bei Kiepenheuer&Witsch erscheint. Und die 29-jährige Autorin und Satirikerin liefert den Begriff der "Pick me Girls" auch gleich selbst mit. Weil wozu sonst gibt es Social Media. "Warum", so fragt sie in einem Instagram-Reel (Video) "ist Frau-Sein mittlerweile eine Art Wettbewerb geworden?" Ja, warum eigentlich? Die Antwort gibt Passmann in ihrem sehr persönlichen Buch nicht immer zwingend, vielmehr aber legt sie unzählige Schichten des Frau-Seins offen. Immer mit dabei: toxische Weiblichkeit, die sich auch immer neu zusammensetzt aus Abwertungen von Frauen für Frauen. Weil die funktionieren verlässlich.
Aber zurück zum Titel und einem Phänomen, das seit gut einem Jahr vor allem auf Social Media bekannt geworden ist. Die "Pick me Girls". Das sind Frauen, die andere Frauen abwerten, um Anerkennung bei Männern zu bekommen. Diese Frauen signalisieren, dass sie die Ausnahme seien, eben jenes "Girl", das nicht so anstrengend, nicht so hysterisch ist und nicht so viel Drama mit sich bringt. "Die Erzählung ist, dass diese Frauen seltene Kostbarkeiten sind, die sich abheben aus dem Einheitsmüll von Weiblichkeit, der sonst so existiert. Diese Frauen kehren jedes weibliche Klischee um, sie sind tiefsinnig und humorvoll, uneitel und ohne jede Art von emotionalem Ballast, sie sind unabhängig und zufälligerweise ausnahmslos wunderschön." So skizziert es Passmann zu Beginn.
Redet sie also vom Patriarchat und einem Überlebenskampf, den Frauen in diesem System halt einfach führen müssen? Ja und nein. Niemand müsste ein "Pick me Girl" sein, wenn nicht so viele Stereotype von Frauen kultiviert und immer wieder reproduziert würden und es gäbe keine toxische Weiblichkeit, wenn Frauen für die harsche Kritik an anderen Frauen nicht so viel Applaus von Männern bekommen würden. So gibt es sie aber eben und es gibt sie schon lange, entgegen den feministischen Parolen von Solidarität, die leider Frauen ganz schwer dauerhaft halten können. Es ist also ein an sich altes Phänomen, das von Passmann ins Jahr 2023 geholt wird.
Übrigens: Dieses "pick me" also "wähle mich" hat seinen jetzigen Ursprung in der auch schon wieder alten US-Serie "Greys Anatomie", in der die Hauptdarstellerin genau um das bittet. Oder bettelt.
"Pick me Girls" ist eine schnoddrige Gegenwartsbeschreibung, in der Passmann aber viel Raum gibt für ihre eigenen beschämenden Kinder- und Jugendjahre. Es geht um Körperlichkeit, um den Drang, unbedingt dünner zu sein, um ästhetisch durchgeführte Schönheits-Eingriffe und auch um Geständnisse aus ihren Beziehungen, die man von der so selbstbewusst auftretenden Frau mit der großen Klappe nicht erwartet. Und das alles von einer Feministin. Ob es der traditionell linke und "woke" Literaturbetrieb nun gut oder schlecht findet, wird sich zeigen. Und auch, ob es dann nur um berechtigte Kritik oder eben auch hier um die gute, alte Abwertung von Frauen durch Frauen geht, wie es gerade Autorin Ronja von Rönnevon den Frauen im deutschen Feuilleton erleben muss. Denn auch der Literaturbetrieb ist bei aller Schlauheit Teil des gesellschaftlichen Systems, das just solche Kritik ganz besonders gerne groß werden lässt.
Der Appell: Natürlich kann sich jede Frau jeden Tag neu entscheiden, ob sie diesen Applaus braucht, um selbst weiterzukommen, weil es scheinbar der einzige Weg ist oder eben nicht. Wie schwer es auch für selbstsichere, autonom lebende und prominente Frauen, wie Sophie Passmann selbst ist, wird in diesem Buch klar. Und auf den Punkt bringt es dieses Zitat aus "Pick me Girls":
"Ich weiß, dass ich heute besser aussehe als mit Anfang 20. Ich weiß das, weil ich öfter sexuell belästigt werde."
Am 28. Septemberwird Sophie Passmann übrigens nach Wien kommen für eine Lesung.